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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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»Behuf« in dem Wunsch, sie kennenzulernen, bestand. Doch hatte ich den Wunsch nicht mehr, ich liebte Gilberte nicht mehr. Andererseits gelang es mir nicht, Madame Swann mit der Dame in Rosa meiner Kindheit zu identifizieren. Daher sprach ich von der Frau, die mich im Augenblick innerlich in Anspruch nahm.
    »Haben Sie eben die Herzogin von Guermantes gesehen?« fragte ich Madame Swann.
    Da die Herzogin Madame Swann nicht grüßte, wollte diese so tun, als halte sie sie für eine belanglose Erscheinung, deren Gegenwart man nicht einmal bemerkt.
    »Ich weiß nicht, ich habe nicht realisiert «, antwortete sie unangenehm berührt und unter Verwendung eines aus dem Englischen übernommenen Ausdrucks.
    Ich hätte dennoch gern nähere Auskunft nicht nur über Madame de Guermantes, sondern auch über alle die Menschen gehabt, die in ihrer Nähe lebten, und ganz wie Bloch, taktlos wie alle, die in der Unterhaltung nicht den anderen gefallen, sondern in egoistischer Weise sie selbst interessierende Fragen klären wollen, erkundigte ich mich, um mir das Leben von Madame de Guermantes möglichst genau vorstellen zu können, bei Madame de Villeparisis nach Madame Leroi.
    »Ja, ich weiß«, sagte sie mit gespielter Herablassung, »die kommt doch aus dem Holzgroßhandel. Ich weiß, daß sie jetzt in der Gesellschaft verkehrt, aber ich muß Ihnen sagen, ich bin eben doch etwas alt, um neue Bekanntschaften zu machen. Ich habe so interessante undliebenswürdige Menschen gekannt, daß ich wirklich glaube, Madame Leroi würde dem nichts hinzufügen können.«
    Madame de Marsantes, die die Rolle der Ehrendame bei der Marquise spielte, stellte mich dem Fürsten vor und hatte es kaum getan, als Norpois seinerseits das gleiche unternahm, und zwar mit den wärmsten Worten. Womöglich fand er angebracht, mir eine Artigkeit zu erweisen, die seinen Kredit in keiner Weise in Anspruch nahm, da ich gerade schon vorgestellt worden war; womöglich glaubte er auch, ein Ausländer, selbst ein berühmter, sei mit den französischen Salons weniger vertraut und könne meinen, ein junger Herr der ersten Gesellschaft werde ihm vorgestellt; womöglich wollte er auch eines seiner Vorrechte ausüben: jenes, das Gewicht seiner hochrangigen diplomatischer Empfehlung einzubringen oder jenes, aus einer archaisierenden Neigung heraus zu Ehren des Fürsten den dieser Hoheit schmeichelnden Brauch wieder aufleben zu lassen, nach dem zwei Paten nötig waren, wenn man ihr vorgestellt werden wollte.
    Madame de Villeparisis wandte sich mit lauter Stimme an Norpois, denn sie empfand das Bedürfnis, mir von ihm sagen zu lassen, sie habe es nicht zu bedauern, daß sie Madame Leroi nicht kenne.
    »Nicht wahr, Herr Botschafter«, meinte sie, »Madame Leroi ist doch eine Person ohne jedes Interesse und unter dem Niveau der Leute, die ich hier in meinem Hause habe? Ich habe sicher recht, sie nicht heranzuziehen?«
    Sei es Unabhängigkeit oder Müdigkeit, Norpois jedenfalls begnügte sich damit, durch ein äußerst respektvolles, aber jeder Bedeutung bares Neigen des Kopfes darauf zu antworten.
    »Es gibt doch wirklich, Monsieur«, sagte Madame de Villeparisis darauf lachend zu ihm, »ungemein komischeLeute. Wollen Sie mir glauben, daß ich heute den Besuch eines Herrn gehabt habe, der mir einreden wollte, es mache ihm mehr Vergnügen, meine Hand zu küssen, als die einer jungen Frau?«
    Mir war sofort klar, daß sie Legrandin meinte. Norpois lächelte mit leichtem Augenzwinkern, als sei dies eine so natürliche Begierde, daß man sie niemand verübeln könne, ja fast der Beginn eines Romans, den er bereit war zu verzeihen oder sogar zu begünstigen, mit einer perversen Nachsicht im Stile von Voisenon 1 oder von Crébillon fils. 2
    »Viele Hände von jungen Frauen wären außerstande zu machen, was ich da eben gesehen habe«, sagte der Fürst und wies dabei auf die angefangenen Aquarelle von Madame de Villeparisis.
    Er fragte sie darauf, ob sie die Blumen von Fantin-Latour gesehen habe, die zur Zeit gerade ausgestellt wurden. 3
    »Sie sind wirklich erstrangig und, wie man heute sagt, von einem echten Könner gemalt, einem der Meister der Palette«, erklärte Norpois; »ich bin indessen der Meinung, daß sie nicht den Vergleich mit denen von Madame de Villeparisis aushalten können, in denen ich den Kolorit der Blume besser wiedergegeben finde.«
    Selbst wenn man voraussetzt, daß die Parteilichkeit des alten Liebhabers, die Gewohnheit zu schmeicheln und die in einer Coterie

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