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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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sich lohnt, daß ihre Tür sich Ihnen öffnet, ist in meiner Hand. Ob und wann das geschehen soll, darüber bestimme ich. Im Augenblick sind Sie ein Katechumene. Ihre Anwesenheit dort hatte etwas Anstößiges. Man muß vor allem der Unschicklichkeit aus dem Wege gehen.«
    Da Charlus schon von diesem Besuch bei Madame de Villeparisis sprach, wollte ich mich erkundigen, welcher denn genau sein Verwandtschaftsgrad mit ihr war und wer sie eigentlich sei, aber die Frage kam mir etwas anders auf die Lippen, als ich wollte, und so erkundigte ich mich, was es mit der Familie Villeparisis eigentlich auf sich habe.
    »Mein Gott, die Antwort ist nicht leicht«, erwiderte Charlus mit einer Stimme, die auf den Wörtern Schlittschuh zu laufen schien. »Das ist etwa so, als wenn Sie mich fragten, was genau denn nichts sei. Meine Tante, die sich alles erlauben kann, hat durch ihre Wiederverheiratung mit einem gewissen unbedeutenden Monsieur Thirion der Laune nachgegeben, den größten Namen Frankreichs im reinen Nichts untergehen zu lassen. Dieser Thirion hat gemeint, er könne sich ohne weiteres, wie es in Romanen geschieht, einen aristokratischen Namen zulegen, dessen Träger erloschen sind. Die Geschichte überliefert nicht, ob ihn der Name La Tour d’Auvergne verlockte, ob er zwischen Toulouse und Montmorency schwankte. Auf alle Fälle traf er eine andere Wahl und wurde Monsieur de Villeparisis. Da es Träger dieses Namens seit 1702 nicht mehr gibt, habe ich geglaubt, erwolle bescheiden darauf hinweisen, daß er aus Villeparisis sei, einem kleinen Ort in der Nähe von Paris 1 , daß er dort etwa eine Anwaltskanzlei oder ein Friseurgeschäft unterhalte. Meine Tante aber hörte auf diesem Ohr nicht – sie ist im übrigen in dem Alter, in dem man auf keinem mehr hört. Sie hat nun behauptet, dieser Marquistitel sei in der Familie gewesen, sie hat uns allen geschrieben, wollte die Angelegenheit in Ordnung bringen, warum, weiß ich nicht. Wenn man schon einen Namen annimmt, der einem nicht zukommt, tut man besser daran, keine großen Geschichten darum zu machen, so wie unsere treffliche Freundin, die angebliche Gräfin von M., die es entgegen den Ratschlägen von Madame Alphonse Rothschild 2 ablehnte, den Peterspfennig 3 wegen eines Titels zu vermehren, der dadurch nicht echter geworden wäre. Das Komische ist nun, daß meine Tante von diesem Augenblick an sich das Monopol auf sämtliche Gemälde gesichert hat, die sich auf die wirkliche Familie Villeparisis beziehen, mit der Thirion selig in keiner Weise verwandt gewesen ist. Das Schloß meiner Tante ist eine Art von Hamsterlager für alle – ob echten oder unechten – Porträts der Angehörigen dieses Hauses geworden, unter deren anwachsender Flut gewisse Guermantes und Condé, immerhin auch keine kleinen Fische, verschwinden mußten. Die Bilderhändler stellen alljährlich neue für sie her. In ihrem Speisezimmer auf dem Lande hängt sogar ein Porträt Saint-Simons, wegen der ersten Ehe seiner Nichte mit einem Monsieur de Villeparisis und unter Nichtachtung der Tatsache, daß der Verfasser der Mémoires vielleicht noch auf andere Weise einen Anspruch auf das Interesse der Besucher hat als nur dadurch, daß er kein Urgroßahn von Monsieur Thirion ist.«
    Da sie nun also nur eine Madame Thirion war, vollendete Madame de Villeparisis den Abstieg, den sie in meinen Augen bereits begonnen hatte, als ich die gemischteZusammensetzung ihres Salons bemerkt hatte. Ich fand es ungerecht, daß eine Frau, bei der auch noch Titel und Name fast ganz neuen Datums waren, dank der Freundschaft mit Mitgliedern von Königsfamilien den Zeitgenossen ohne weiteres Sand in die Augen streuen konnte und es mit der Nachwelt ebenso tun sollte. Nun wurde sie wieder zu dem, wofür ich sie in meiner Kindheit gehalten hatte, nämlich eine Person, an der nichts Aristokratisches war, und die hohe Verwandtschaft, mit der sie sich umgab, gehörte in meinen Augen nicht zu ihr. Sie war auch weiterhin ganz reizend zu uns. Ich besuchte sie manchmal, und sie schickte mir von Zeit zu Zeit ein Zeichen des Gedenkens. Aber ich hatte keineswegs das Gefühl, daß sie zum Faubourg Saint-Germain gehörte, und wenn ich irgendeine Auskunft über den Faubourg hätte haben wollen, so wäre sie die letzte gewesen, an die ich mich gewandt hätte.
    »Im gegenwärtigen Augenblick«, fuhr Charlus fort, »würden Sie durch Umgang mit der Gesellschaft Ihrer Position nur schaden, und dabei Ihren Geist und Ihren Charakter verderben. Vor

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