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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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gegenüberfand.
    Er war nicht wie so viele andere Leute, die aus Trägheit oder aus dem resignierten, von hohem sozialem Rang hervorgerufenen Gefühl heraus, einem bestimmten Milieu verbunden bleiben zu müssen, auf die Vergnügungen verzichten, die das Leben ihnen außerhalb ihrer Stellung in der Gesellschaft, der sie bis zu ihrem Tod zäh verhaftet bleiben, bietet, und schließlichnotgedrungen, wenn sie sich daran gewöhnt haben, die mittelmäßigen Zerstreuungen oder sogar die unerträglichen gesellschaftlichen Obliegenheiten, die damit verbunden sind, als Vergnügen bezeichnen. Swann jedenfalls versuchte nicht, die Frauen, mit denen er seine Zeit verbrachte, hübsch zu finden, sondern bemühte sich, seine Zeit mit solchen zu verbringen, die er auf den ersten Blick hübsch gefunden hatte. Oft waren es Frauen von ziemlich vulgärer Schönheit, denn die physischen Eigenschaften, die er unbewußt suchte, standen in völligem Gegensatz zu denen, die ihm die in Bildern und Statuen seiner Lieblingsmaler oder -bildhauer dargestellten Frauen bewundernswert machten. Tiefe oder Schwermut des Ausdrucks ließen seine Sinne erstarren, und um diese wachzurufen, genügte dagegen gesundes, fülliges und rosiges Fleisch.
    Wenn er auf Reisen eine Familie traf, deren Bekanntschaft zu vermeiden vornehmer gewesen wäre, in der er aber eine Frau entdeckte, die einen ihm noch unbekannten Reiz besaß, und hätte er dann in seiner eigenen Welt verharrt, das Verlangen, das sie geweckt hatte, zum Schein gestillt – etwa indem er an eine frühere Geliebte geschrieben hätte, sie solle ihm nachreisen – und ein anderes Lustgefühl an die Stelle jenes Lustgefühls gesetzt, das er bei ihr hätte finden können, dann wäre ihm das als eine ebenso feige Abdankung angesichts des Lebens, als ein ebenso törichter Verzicht auf eine neue Art von Glück erschienen, wie wenn er, anstatt aufs Land zu fahren, sich in sein Zimmer vergraben und Ansichten von Paris angeschaut hätte. Er schloß sich nicht im Gebäude seiner Beziehungen ein; vielmehr hatte er solche geschaffen, um dieses vor Ort überall da von neuem zu errichten, wo eine Frau ihm gefallen hatte, eines jener leicht abzubrechenden Zelte, wie Forschungsreisende sie mit sich führen. Das, was darin nicht transportabel odergegen ein neues Lustgefühl auswechselbar war, hätte er leichten Herzens hergegeben, so beneidenswert es anderen auch erscheinen mochte. Wie oft hatte er seinen Kredit bei einer Herzogin, der sich bei ihr seit Jahren in Form des Wunsches angehäuft hatte, ihm einen Gefallen zu tun, ohne daß sie je Gelegenheit dazu gefunden hätte, mit einem Schlag bezogen, indem er in einer unverfrorenen Depesche eine telegraphische Empfehlung einforderte, um ihn unverzüglich mit einem ihrer Verwalter in Verbindung zu setzen, dessen Tochter ihm auf dem Lande ins Auge gestochen war; so glich er einem Verhungernden, der einen Diamanten gegen ein Stück Brot eintauscht. Er machte sich sogar hinterher darüber lustig, denn es war ihm, allerdings wettgemacht durch erlesenes Zartgefühl, eine gewisse Grobschlächtigkeit eigen. Außerdem gehörte er zu jener Kategorie von intelligenten Männern, die für ihr müßiges Dasein einen Trost und vielleicht auch eine Entschuldigung in der Idee suchen, daß dieser Müßiggang ihrem Geist Objekte bietet, die des Interesses mindestens ebenso würdig sind wie die, die Kunst oder Wissenschaft ihnen an die Hand geben würden, und daß das »Leben« interessantere und romantischere Situationen mit sich bringt als alle Romane. Er versicherte es wenigstens und behauptete es auch gegenüber den raffiniertesten seiner Freunde aus der mondänen Gesellschaft, zum Beispiel dem Baron von Charlus, den er gern durch Erzählungen von pikanten Abenteuern amüsierte, die ihm zugestoßen waren, zum Beispiel, wie er einmal in der Eisenbahn die Bekanntschaft einer Dame gemacht hatte, die er nachher mit zu sich in die Wohnung nahm und die, wie er dann erfuhr, die Schwester eines Staatsoberhauptes war, in dessen Händen zu diesem Zeitpunkt alle Fäden der europäischen Politik zusammenliefen, über die er so auf angenehmste Weise auf dem laufenden gehalten wurde;oder daß es dank dem komplexen Spiel der Umstände von der Entscheidung des Konklave abhing, ob er der Liebhaber einer Köchin werden könnte.
    Übrigens nötigte Swann keineswegs nur die glänzende Phalanx von tugendhaften älteren Damen, Generälen und Mitgliedern der Académie française, mit denen er besonders

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