Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)
sieden lässt. Er gehört zu den Ungeheuern der italienischen Geschichte, nannte sich »Reichsverweser der Mark Treviso« und übte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Verona, Vicenza, Treviso und Padua eine Schreckensherrschaft aus. Andere waren zivilisierter wie Oberto Pallavicini, Ezzelinos Kollege im Westen, oder Luchino Visconti in Mailand, ein höchst talentierter, sympathischer Mensch, dessen Familie bis 1447 einen Großteil der Lombardei und Norditaliens beherrschte.
Die Signoria war in den Städten, in denen sie sich durchsetzte, weder unvermeidlich noch stets erfolgreich. Venedig und Siena blieben ganz verschont, andere experimentierten damit, um sie dann zu verwerfen. Städte mit einem schwachen Landadel und einer starken städtischen Wirtschaft waren für die Ambitionen von Möchtegern-Herrschern weniger anfällig als andere. Pisa war für lange Zeit die einzige große toskanische Stadt mit einer Signoria. Florenz war bis 1530 mit Unterbrechungen immer wieder eine Republik gewesen, 300 Jahre nachdem sich die Herrschaft der signori in einigen Städten im Norden Italiens durchgesetzt hatte. Lucca hatte zu Beginn des 13. und 14. Jahrhunderts signori, dazwischen kam es unter die Herrschaft Pisas, wurde danach aber wieder eine Republik und blieb es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, als die Stadt von einer französischen Revolutionsarmee erobert wurde. Napoleon Bonaparte schenkte Florenz später seiner Schwester Elisa.
DAS ITALIEN DER FÜRSTEN
Ende des 15. Jahrhunderts war die Macht in Italien auf fünf Staaten verteilt: eine echte Republik (Venedig), eine nominelle Republik (Florenz), ein Herzogtum (Mailand), ein Königreich (Neapel) und den Kirchenstaat, eine Monarchie ohne Dynastie, obwohl sich bald verschiedene Familien bemühten, mehr als nur einen Papst zu stellen. (In den 70 Jahren nach 1455 kamen je zwei Päpste aus den Familien Borgia, Piccolomini, della Rovere und Medici.) Die unterschiedlichen Bezeichnungen waren keineswegs nur symbolisch, sie spiegelten echte Unterschiede im Ethos der Staaten.
Die europäische Gesellschaft des Spätmittelalters ließ sich gern von aristokratischen Werten und monarchischem Glanz verführen. In Italien verschwand die Welt der Kommunen und Bürger unter dem Baldachin der Fürsten und ihrer Höfe. Aristokratischer Prunk und ein Wetteifern in Verschwendungssucht waren fast überall in Mode gekommen. Regierungsbeamte wurden jetzt von den Herrschern ernannt und nicht mehr durch geheime oder direkte Wahl bestimmt. In den größeren und kleineren Monarchien und Fürstentümern verschmolzen staatliches und höfisches Leben, und ihr Personal wurde ununterscheidbar.
Das bürgerliche Mäzenatentum überlebte in den Republiken, wenn auch in kleinerem Maßstab als im 14. Jahrhundert, als die Kommunen Florenz und Siena prachtvolle Regierungspaläste errichtet hatten. Doch meist lag jetzt in Italien die Förderung der Kunst in den Händen der Fürsten und in geringerem Umfang der Kirche und reicher Adliger. An die Stelle der vielseitig begabten Handwerker des Mittelalters, die gemeinsam in ihrer Werkstatt arbeiteten, traten extravagante, launische Künstler, die lieber an einem Hof tätig waren. Einige der besten, wie die Venezianer Tintoretto und GiovanniBellini, blieben in ihrer Heimatstadt – Tintoretto verließ Venedig offenbar nur einmal zu einem kurzen Besuch in Mantua in Begleitung seiner Frau. Andere aber ließen sich von Glanz, Reichtum, gutem Essen und unterhaltsamen Theateraufführungen an Fürstenhöfe locken. Leonardo da Vinci, Raffael und Michelangelo arbeiteten über längere Zeiträume für mächtige Förderer, ebenso Tizian, der Kaiser Karl V. an den Kaiserhöfen in Bologna und Augsburg immer wieder porträtierte. Er war auch für dessen Sohn, Philipp II. von Spanien, tätig (der ihm seinen Lohn nicht bezahlte), und übernahm Aufträge vom Farnese-Papst Paul III. Im Jahr 1533 wurde er von Kaiser Karl V. in den Adelsstand erhoben.
Der erste echte Hofmaler war Andrea Mantegna, der von 1459 bis zu seinem Tod 40 Jahre später bei der Familie Gonzaga, den Markgrafen von Mantua, beschäftigt war. Für eine Dynastie mit so großen politischen und kulturellen Ambitionen war er eine kluge Wahl. Mit seiner künstlerischen Begabung, seinen Kenntnissen der Antike und seinem Verständnis der Perspektive verlieh Mantegna den porträtierten Adligen die Aura von Heiligen oder Helden des Altertums und ließ sie zugleich als Menschen seiner Zeit erscheinen. Sein
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