Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)
Lebens setzte der Florentiner Dichter sein Vertrauen auf Kaiser Heinrich VII., den er als »Stellvertreter Gottes«, »Trost der Welt« und modernen Augustus begrüßte, dem der Allmächtige »die menschlichen Angelegenheiten zur Leitung übergeben« habe, »damit unter der Ungetrübtheit eines so mächtigen Schutzes die Menschheit in Frieden lebe«. *53
KOMMUNALE WIRKLICHKEIT
Die selbstverwalteten Kommunen Italiens hatten ihren Ursprung in der antiken polis, den Städten, die Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. von den Griechen in Sizilien gegründet wurden. Solche Gemeinwesen existierten auch unter der Herrschaft Roms autonom, wenngleich nicht unabhängig. Nach Schätzungen gab es unter Kaiser Hadrian 1500 Städte, in denen rund die Hälfte der Bevölkerung des Imperiums lebte. *54
Die Kommunen Italiens traten im späten 11. Jahrhundert in das Vakuum, das die abwesenden Kaiser hinterließen und das Bischöfe und kaiserliche Beamte nicht füllen konnten. Im Jahr 1150 hatten alle größeren Städte der Toskana und der Lombardei eine Kommunalverwaltung, aber nur wenige im feudalen Piemont und keine einzige Stadt im Süden. Die Vertreter des Kaisers wurden durch gewählte Konsuln ersetzt, Gesetze von Räten gemacht und die Verwaltung von Ausschüssen geleitet. In den Kommunen waren die Wahlen im Detail unterschiedlich geregelt – geheime Abstimmungen, Amtszeiten, Wählbarkeit und so weiter –, aber sie besaßen ähnliche Institutionen und ein ähnliches Ethos. Die Städte wurden durch Beamte verwaltet, und sie versuchten, das ländliche Umland zu kontrollieren, ihre contadi durch Eroberung oder Zukauf zu erweitern und die Adligen zu verpflichten, in Türmen und Palästeninnerhalb der Stadt zu wohnen, und nicht in bedrohlichen Burgen außerhalb.
Während im 12. Jahrhundert die Bevölkerung wuchs und die Stadtmauern erweitert wurden, kamen allmählich die Schwächen der Stadtregierung zum Vorschein. Machtkämpfe unter den Eliten, Fehden unter den Adligen und innere Zwietracht, die alle sozialen Schichten erfassten, schufen Probleme, die von amateurhaften Teilzeitregierungen selten zu lösen waren. Kurze Amtszeiten und komplizierte Wahlprozeduren schienen theoretisch vorbildlich, brachten aber in der Praxis unerfahrene Amtsträger an die Macht und führten zu einer ineffizienten Verwaltung. Die Bewohner standen zwar loyal zu ihrer Stadt, aber nicht unbedingt zu deren Oberhäuptern, die sie schlicht als Anführer der gerade mächtigsten Gruppe ansahen. Als das Fehlen einer unparteiischen Instanz krasse Folgen zeigte, begann man gegen Ende des 12. Jahrhunderts in den Kommunen einen podestà einzusetzen , der sich um die Probleme der Rechtsprechung, um die Zwietracht unter den Bürgern und die Feindseligkeiten zwischen den Adelsfamilien kümmern sollte. Die Bedeutung des Amts beruhte darauf, dass es mit einer neutralen Person, in der Regel einem Adligen aus einer anderen Stadt, besetzt wurde, von dem man erwarten durfte, dass er über den Gruppierungen stand. Ein paar Jahrzehnte lang funktionierte dieses System in einigen Städten bis zu einem gewissen Grad, aber die immanente Instabilität des Stadtstaats – ein Problem bereits in der griechischen Polis – führte zum Bedeutungsverlust und schließlich zur Abschaffung des podestà .
In der Anfangszeit wurde die Kommunen weitgehend von aristokratischen Allianzen regiert, aber städtische Expansion und wachsender Wohlstand erforderten die Beteiligung anderer Stände, vor allem der städtischen Kaufleute und der Bankiers. Gerade sie schufen schließlich den Wohlstand und waren bedeutende Akteure nicht nur im Leben ihrer Stadt, sondern auch im Panorama des europäischen Handels, den sie beherrschten. Zur See dem Risiko der Piraterie oder des Schiffbruchs, zu Lande den Gefahren des Raubüberfalls ausgesetzt, führten sie Gebrauchs- und Luxusgüter ein: Leder aus Córdoba, Wolle aus den Cotswolds, Zucker aus Damaskus, Gewürze aus der Levante, Thunfisch aus Sardinien, Keramik aus Mallorca, Schwertklingen aus Toledo, Mandeln aus Valencia und Rosinen aus Malaga. Dafür beanspruchten sie ein Mitspracherecht in den Regierungsgeschäften und waren verärgert, weil sie von den Ämtern ausgeschlossen blieben.
Kaufleute, Bankiers und die übrige Mittelschicht – von den Juristen und Ärzten bis zu den Ladeninhabern und Handwerkern – hatten sich in Gilden zusammengeschlossen. Die 12 000 Bewohner Pratos waren in 15 Gilden organisiert, von denendie wichtigste, die Arte della lana
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