Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)
hätten abgewendet werden können, wenn das Land einig gewesen wäre. »Denn in tiefstem Frieden und tiefster Ruhe eingewiegt, niemandem untertan als seinen eigenen Regenten, strotzte es nicht nur von Bewohnern, Handelsgütern und Reichtum, sondern war auch sehr verherrlicht durch die Pracht vieler Fürsten, durch den Glanz vieler sehr berühmter und sehr schöner Städte.« Daher war er froh, dass weder Friedrich noch ein anderer der König von ganz Italien geworden war. *56 Jedenfalls hatte die Rivalität zwischen den mittelalterlichen Stadtstaaten auch heilsame Aspekte: Sie stärkte den Patriotismus und die Loyalität zur Heimatstadt und förderte den künstlerischen Wettstreit zwischen den Nachbarn. Rivalität artete auch keineswegs immer in Gewalt aus. Die Kommunen waren manchmal durchaus fähig zur Kooperation, wie der Lombardische Bund beweist. Auch wenn sie weder Einheit noch Föderalismus anstrebten, waren sie bereit, taktische Bündnisse zu schließen, um Bedrohungen von außen abzuwenden.
Sich selbst überlassen,legten die Städte allerdings ein natürliches Expansionsstreben an den Tag, um eine Grenze zu stärken, einen Konkurrenten auszubremsen oder sich landwirtschaftliche Anbauflächen anzueignen, freilich stets auf Kosten schwächerer Nachbarn. Seit Beginn des 14. Jahrhunderts stand fest, dass Florenz, das einst hinter Lucca und Pisa herhinkte, zur dominanten Macht in der Toskana aufsteigen und sich damit zu einer Stadt entwickeln würde, die gefürchtet und sogar verhasst war. Das arme Prato, nur 20 Kilometer von Florenz entfernt, hatte nicht die geringste Chance. Es wurde 1350 geschluckt, gefolgt von Arezzo, Pisa und schließlich Siena. Nur Lucca konnte sich dem Zugriff der Florentiner auf Dauer entziehen. Andere Städte waren ebenso beutegierig und erfolgreich, vor allem Mailand und Venedig, die sich die Vorherrschaft über einen Großteil des Nordens und Nordostens teilten. Kriege zwischen den Städten wurden 100 Jahre lang ausgetragen, vom Ausbruch der Pest 1348 bis zum Frieden von Lodi 1454. Damit war die Voraussetzung für die Lega Italica geschaffen, deren Mitglieder sich verpflichteten, einander militärisch beizustehen. Zu diesem Zeitpunkt war die Macht in Italien zwischen Venedig, Mailand, Florenz, Neapel und dem Kirchenstaat aufgeteilt.
Die inneren Querelen der Städte, die das 13. Jahrhundert prägten, warfen Zweifel an der Funktionsfähigkeit der Kommunalregierung auf. Jahrzehntelange Anarchie und Gewalt weckten die Sehnsucht nach einer starken Führung, auch um den Preis einiger errungener Freiheiten. In den Kommunen wurden Diktatoren im römischen Sinn willkommen geheißen, die ihre Stadt aus der Krise führen und sich danach wieder zurückziehen sollten. Allerdings stellte sich heraus, dass die erfolgreichsten Führer »auf Zeit« nicht in den Ruhestand wollten und stattdessen zu Stadtherren, signori, und Begründern von Dynastien aufstiegen. Es wäre zu einfach, wollte man diesen Vorgang als Abgleiten der Demokratie in die Tyrannei beschreiben, aber die Veränderung war bedeutungsschwer: Entscheidungen wurden jetzt von einem einzigen Mann getroffen, dessen Nachkommen seine Nachfolger wurden. Doch offenbar trauerten nicht viele der verlorenen Freiheit nach oder sehnten eine Rückkehr der Stadtkommune herbei.
Die Signoria setzte sich eher im Norden durch als jenseits des Apennin in der Toskana, und sie war mit einer Stärkung der feudalen Strukturen verbunden. Mitte des 13. Jahrhunderts etablierte sie sich in Verona, Vicenza, Padua, Cremona, Pavia und Piacenza. Genua, Bologna und Perugia schwankten zwischen dem alten und dem neuen System, ehe sie sich für eines von beiden entschieden. Genua wurde dann doch wieder zur Republik, während in Bologna und Perugia signori herrschten. Andere unterwarfen sich mächtigen,dauerhaften Dynastien wie den Gonzaga in Mantua, den Malatesta in Rimini, den Montefeltro in Urbino und den Visconti und Sforza in Mailand. Die Familie Este herrschte ab dem 13. Jahrhundert über Ferrara, Modena und Reggio, und obwohl ihnen der Papst später Ferrara abnahm, regierten sie weiter als Herzöge von Modena (eine Este-Tochter heiratete den Stuart-König Jakob II.), bis sie 1859 von Nationalisten gestürzt wurden.
Die signori hätten es nie so weit gebracht, wären sie nicht schlau, skrupellos, reich und furchteinflößend gewesen. Aber nur wenige waren so grausam wie Ezzelino da Romano, den Dante zu Recht im siebten Kreis der Hölle in einem Fluss aus Blut
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