Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)
leicht hätte schlagen können.
Luigi Barzini, ein scharfsichtiger Schriftsteller und Journalist des 20. Jahrhunderts, betrachtet Fornovo als einen entscheidenden Augenblick in der Geschichte seines Landes:
Ein Sieg der Italiener hätte sie wahrscheinlich den Stolz eines geeinten Volkes und das Selbstvertrauen bewusst werden lassen, das der
Verteidigung gemeinsamer Freiheit und Unabhängigkeit entspringt. Italien wäre daraus als eine angesehene, zur Bestimmung ihrer künftigen Geschicke
bereite Nation hervorgegangen, als ein Land, das anzugreifen wohl kein abenteuerlicher Ausländer mehr so ohne Weiteres gewagt hätte. Niemand wäre
leichten Herzens über die Alpen gezogen, da er befürchten musste, vernichtet zu werden. Den europäischen Mächten wäre die Lust am ewigen Gezänk über
Italien und an der scheibchenweisen Abtrennung italienischen Landes zur Befriedung dynastischer Rivalitäten und habgieriger Gelüste vergangen. Die
Geschichte Italiens, Europas und der Welt wäre wahrscheinlich andere Wege gegangen. Auch der Charakter des italienischen Volkes hätte sich in eine
andere Richtung entwickelt. *91
Das ist freilich Spekulation. Und schwerlich kann man Barzini in allen Punkten zustimmen. Wenn die Schlacht bei Legnano nicht zur Herausbildung einer Nation geführt hatte, weshalb hätte ein Sieg bei Fornovo das leisten können? Und wer, mit Ausnahme vielleicht von Machiavelli, hätte sich eine Nation gewünscht? Trotzdem hätte, wie Barzini unterstellt, die Vernichtung der französischen Armee spätere Invasoren abschrecken können. Karls unangefochtener Zug nach Neapel belegt laut Giordano Bruno Guerri, dass Italien »ein sehr leicht zu eroberndes Land war«. *92 Und gewiss ermutigte er den nächsten König von Frankreich, Ludwig XII., es im Jahr 1499 seinem Vorgänger nachzutun. Diese Invasion führte dank seines Anspruchs auf das Herzogtum Mailand dazu, dass der skrupellose Ludovico Sforza gestürzt wurde und den Rest seines Lebens im Kerker verbrachte. Auch der nächste französische König, Franz I., folgte diesem Beispiel und fiel in Italien ein. Sein italienisches Abenteuer endete allerdings mit einer Katastrophe, denn er wurde von Kaiser Karl V. in der Schlacht bei Pavia 1525 geschlagen und gefangengenommen.
Die Italienfeldzüge der Franzosen bewogen die Spanier, in der Nordhälfte der Halbinselum die Vorherrschaft in Westeuropa zu kämpfen. Selbstverständlich hätten die Italiener es lieber gesehen, wenn diese Rivalität jenseits der Pyrenäen ausgetragen worden wäre. Aber strategische Überlegungen führten dazu, dass die Lombardei just deshalb zum Schauplatz dieser Auseinandersetzungen wurde, weil sie zwischen Neapel, das Kaiser Karl über seine spanische Mutter geerbt hatte, und den Niederlanden wie auch den deutschen Territorien lag, die beide durch seinen habsburgischen Großvater an ihn gefallen waren. Die Siegestrophäe in diesem Konflikt war Mailand, das bis 1535 abwechselnd von den Franzosen und den Sforza regiert wurde. Nach dem Tod des letzten Sforza übernahm Karl V. die Macht und gab die Lombardei an seinen Sohn Philipp weiter, den späteren König von Spanien. Das war das Ende der politischen und kulturellen Unabhängigkeit Mailands. Auch die übrigen Teile der Halbinsel hatten unter den Folgen der französischen Vorstöße zu leiden. Venedig musste gegen die Liga von Cambrai Krieg führen, Neapel wurde sowohl von den Franzosen als auch von den Spaniern erobert, Florenz pendelte zwischen Republik und Medici-Herrschaft, und Rom wurde 1527 von einer kaiserlichen Armee geplündert und verwüstet.
Wie der Historiker Richard Mackenney feststellt, waren die grausamen Kriege, die auf italienischem Boden zwischen 1494 und 1530 hauptsächlich von fremden Truppen ausgetragen wurden, die »einzige wirklich ›italienische‹ Erfahrung« der Epoche. *93 So wenig wie die Invasionen der folgenden 300 Jahre provozierten auch sie keine »italienische« Reaktion. Karl VIII. wurde zwar 1495 aus dem Land gejagt, aber noch im Jahr zuvor hatten ihm viele Italiener zugejubelt und ihn unterstützt. Bei Fornovo kämpften Venezianer und Mantuaner gemeinsam, oft aber befanden sie sich in gegnerischen Lagern. Als sie gegen den ausländischen Feind in die Schlacht zogen, brüllten sie zwar »Italia! Italia!«, aber auf der anderen Seite kämpften gleichfalls viele Italiener, die sich keineswegs als Vaterlandsverräter fühlten. Das blieb so bis in die 1860er Jahre.
Die Suche nach den Spuren eines
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