Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)
veranschaulicht sein Geschick, selbst die Niederlage zur Propaganda für die eigene Sache zu nutzen. Während andere sich ergaben oder mit einem britischen Pass aus der Stadt flohen, beschwor er auf dem Petersplatz in Rom von seinem Pferd aus seine republikanische Armee, den Kampf fortzusetzen. Er biete, sagte er, weder Bezahlung noch Verpflegung, sondern Hunger und Durst, Hitze und Kälte, Schlachten und Gewaltmärsche – eine Beschwörung, wie wir sie später auch von Churchill kennen. Etwa 4700 Soldaten nahmen sein wenig verlockendes Angebot an und verließen an jenem Abend gemeinsam mit ihm Rom durch die PortaSan Giovanni. Viele desertierten später, andere verloren ihr Leben (auch Anita, die trotz ihrer Schwangerschaft darauf bestanden hatte, ihn zu begleiten). Garibaldi jedoch entkam seinen Verfolgern. In Ligurien wurde er von der piemontesischen Armee gefangengenommen, aber wieder freigelassen unter der Bedingung, dass er nach einem Besuch bei seinen Kindern in Nizza das Land verließe. Er verbrachte einige Zeit in Nordafrika, überlegte, wie es weitergehen sollte, überquerte dann abermals den Atlantik und landete auf Staten Island.
Im Exil nahm Garibaldi seine Tätigkeit als Handelskapitän wieder auf. In Lima kaufte er ein Schiff und fuhr zwischen China, Boston, den Philippinen und Südamerika hin und her. Einmal fuhr er von Peru mit einer Ladung Guano nach China, doch in Kanton nahm man ihm den Dünger nicht ab. Er verzweifelte an der misslichen Lage Italiens, an »seiner Knechtschaft und der Untätigkeit seiner Söhne«. 1854 wurde ihm die Rückkehr erlaubt, und er kaufte ein Landgut auf Caprera, einer felsigen Insel mit aromatisch duftenden Mastixsträuchern, Zistrosen und verkrüppeltem Kriechwacholder. Er vergrößerte das Haus, pflanzte Olivenbäume, baute Getreide an und züchtete Schafe. Auf dieser Insel fand er Trost in der Einsamkeit und der wohlriechenden Brise. Hier führte er ein zurückgezogenes, einfaches Leben mit seinen Kindern, die er mit einem von seiner Tochter Teresita beschäftigten Kindermädchen und später mit Francesca Armosina hatte, einer Bäuerin, die seine dritte Ehefrau wurde. Tagsüber widmete er sich der Landwirtschaft, abends vor Einbruch der Dämmerung diktierte er Briefe. Seinen Gästen bot er Wein an, er selbst trank als Abstinenzler mittags zum Essen Wasser und abends kalte Milch. Wie Mazzini schien er im Übrigen von Kaffee und Zigarren zu leben. Zur Entspannung spielte er Klavier und sang Arien aus den Belcanto-Opern Vincenzo Bellinis, des Komponisten aus Catania.
Jetzt, zum zweiten Mal nach Italien zurückgekehrt, brach Garibaldi mit Mazzini, schloss sich dem Italienischen Nationalverein (der Società nazionale italiana) an und kämpfte 1859 mit seinen Freiwilligen in der nördlichen Lombardei erfolgreich gegen die Österreicher. Am Ende dieses Kriegszugs erteilte ihm die piemontesische Regierung den Oberbefehl über ihre Truppen in der Romagna. Als er aber auf eine Invasion in die zum Kirchenstaat gehörenden Marken drängte, nahm man ihm das Kommando wieder weg. Die Jahre 1859 und 1860 waren die aufregendste Zeit seines langen Lebens. Auch in seinem bewegten Privatleben ging es drunter und drüber. Im Zeitraum von acht Monaten brachte eine Bäuerin ein Kind von ihm zur Welt, er machte einer Baronesse erfolglos einen Antrag, verliebte sich in eine dritte, eine Contessa, und heiratete eine vierte, die 19-jährige Tochter einer Marquise, von der er sich aber trennte, als er entdeckte, dass sie mit dem Kind eines anderen schwanger war.
Der Ruf nach Sizilien brachte ihm eine willkommene Ablenkung von dieser kränkenden Episode. Er stach mit seinen Tausend in See, um die Bourbonen aus Neapel zu vertreiben. Nach der Eroberung des Königreichs kehrte er nach Caprera zurück und nahm sein bäuerliches Leben auf seinen Feldern, im Kuhstall, Hühnerhaus und Pferdestall wieder auf. Zeitungsberichte über seine Tierliebe machten ihn bei den Briten noch populärer. Gläubige Katholiken dagegen waren nicht erbaut über die Namen, die er zweien seiner Esel gegeben hatte: Pius IX. und Unbefleckte Empfängnis.
Nichts in Garibaldis Leben ist mit dem Abenteuer in Sizilien und Neapel zu vergleichen. Ein verlockendes Angebot, auf Seiten der Union am amerikanischen Bürgerkrieg teilzunehmen, lehnte er ab, als ihm klar wurde, dass er weder den Oberbefehl erhalten noch die Macht haben würde, die Sklaverei abzuschaffen. Seine Versuche, Rom einzunehmen, schlugen fehl. Nach dem zweiten,
Weitere Kostenlose Bücher