Auf der Suche nach Tony McKay
erste Hilfe. Als ich wieder in die Küche komme fragt Britta,
‘Habt ihr mitgekriegt, was da auf der Post los ist?’ während sie Rosas Lider mit lila Lidschatten zukleistert.
‘Ich wollte gestern ein Manuskript wegschicken, nur um festzustellen, dass da so’n paar Oldies die Post besetzt haben. Da war auch absolut kein Durchkommen, überall Fernseh- und Radiowagen. Als ich da stand, um zu sehen was los ist, bin ich von einem chinesischen Sender interviewt worden.’
‘Was wollten die denn von dir wissen?’ frage ich und gucke Rosa an. Die hält schön ihre Augen geschlossen, während Britta an ihren Lidern arbeitet und sagt gar nichts.
‘Als ich denen gerade sagen wollte, dass ich keine Ahnung hab’ worum es da geht, lehnt sich eine alte Frau aus dem Fenster und grölt, ‘Wir fordern staatlich garantierte Arbeitsplätze für alle zwischen 18 und 65 – Schluss mit der Arbeitslosigkeit!’ Da musste ich daran denken, dass die von Rosa-Rot mir gerade mein Honorar pro Übersetzung gekürzt haben. Die haben viele der Übersetzungen nach Indien aus gesourct, um Geld zu sparen. Da sitzen jetzt so’n paar arme Wichte vor einem Übersetzungsprogramm und haben absolut keine Ahnung von Deutsch. Wenn mir die Regierung einen Arbeitsplatz garantieren könnte, würde ich morgen bei Rosa-Rot aussteigen. Also hab’ ich dem Reporter gesagt, ‘Absolut, 100 Prozent, ganz H. steht hinter der Besetzung!’ Der hat sich dann umgedreht und angefangen ganz aufgeregt auf Chinesisch etwas in die Kamera zu sprechen.’
Heiko erscheint in der Tür, eine Hand auf der Hüfte, die andere oben am Türrahmen. Rosa pfeift laut auf zwei Fingern, Britta applaudiert und ich hole schnell meine Kamera heraus – dies muss für die Nachwelt festgehalten werden.
Das Paulchen taucht hinter Heiko in der Tür auf, guckt an ihm hoch, faucht, dreht sich um und geht weg. Heiko guckt betroffen.
‘Aber Paulilein, was ist denn?’
‘Vielleicht mag der einfach nur keine Frauen,’ sage ich und betrachte die Narbe an meinem Unterschenkel.
Nicht nur sieht Heiko ziemlich überzeugend in seinem Outfit aus, er ist auf einmal auch gut einen Kopf größer als wir anderen dank eines Paares gigantischer roter Stöckelschuhe.
‘Mensch Heiko, wo gibt’s denn solche in Männergröße? Bestimmt nicht in H.,’ bemerkt Britta.
‘Habe ich aus dem Internet. Da gibt das viele Websites, wo man solche Schuhe in Übergrößen bestellen kann. Diese hier sind ja noch klein, ich hab’ ja nur Größe 43, aber die gehen rauf bis Größe 48,’ informiert uns Heiko.
‘Da bist du ja eine echte Konkurrenz für uns heute,’ meint Britta.
Heiko guckt verlegen. ‘Ich weiß nicht, meinst du das kauft mir irgendwer ab?’ und rückt seinen Busen zurecht.
‘Absolut, keine Frage. Fehlt jetzt nur noch das Kopftuch.’
Britta hat ein Sortiment mitgebracht, und Heiko wählt ein blaues, ‘weil das besser zu meinen Augen passt’. Dann noch das Make-up dick aufgetragen und aus Heiko ist Heike geworden, die mit Erkan verheiratet und zum Islam übergetreten ist.
Heiko und Rosa betrachten sich im Spiegel, sichtbar zufrieden mit ihrer Transformation.
‘Ich denke, das mit dem Kopftuch könnte bei mir zur ständigen Garderobe werden,’ meint Rosa.
‘Setzt euch mal alle zusammen,’ sage ich. Meine Kamera hat einen Selbstauslöser und ich postiere sie auf Heikos Kühlschrank – von dort oben geschossen sollten wir alle ins Bild passen. ‘Zehn Sekunden,’ sage ich.
‘Paulchen,’ ruft Heiko, ‘komm doch, du gehörst ja auch dazu.’
‘Lass ihn,’ sagt Rosa, ‘der zerkratzt uns nur die Strumpfhosen.’
‘Sagt mal alle ‘Reeperbahn’,’ ruft Britta, und dann blitzt der Auslöser.
Wir sitzen in Heikos Ford Ka auf der Autobahn Richtung Hamburg. Die Stimmung ist gut, die Autobahn leer und Rosa hat aus ihrer Handtasche einen Flachmann produziert.
‘Irgendjemand?’ fragt sie und schwenkt ihn herum.
Ich gucke sie misstrauisch an – ‘Cognac?’
‘Nee, das würde ich euch und mir nicht antun. Kirschlikör aus Dänemark,’ sagt sie, reicht den Flachmann an Britta weiter, die einen Schluck nimmt.
‘Der mit dem kleinen Glas auf der Flasche?’ frage ich Rosa.
Kirschlikör aus Dänemark weckt Erinnerungen. Nachdem meine Mutter mit ihrem Soldaten in die USA abgehauen ist, habe ich bei meiner Oma gewohnt, und Oma war auf einer Flasche Kirschlikör pro Woche. Ich nehme einen Schluck. Immerhin besser als ‘Cognac’.
‘Hast du dir den Weg dahin
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