Auf der Suche nach Tony McKay
der antwortet und nickt. Der Bassist nimmt seinen Kontrabass auf und die beiden beginnen ein bisschen zu improvisieren. Die Musik fließt natürlich, ungezwungen, spült alles Falsche weg und lässt einen an das Positive in unserer Zivilisation glauben. Wie kann es angehen, dass zwei in der Lage sind solche Musik einfach aus dem Ärmel zu schütteln, zwei Amateure, und im deutschen Fernsehen gibt es immer nur Volksmusik oder aber sonst irgendeinen blödsinnigen Pop-Schwachsinn zu hören? Ist das vorsätzlich und heimtückisch von Seiten der Programmmacher, um das deutsche Volk noch weiter verblöden zu lassen während besagte Programmmacher selber zu Hause sitzen und Rachmaninoff und Stephane Grapelli hören, oder aber sind die Programmmacher selber geschmacklich so retardiert, dass sie den Müll, den sie da verursachen ganz in Ordnung finden?
Die Melodien der beiden Instrumente fließen weiter, ineinander, von einander weg und dann ist der Czardas auf einmal da, das Klavier deutet ihn an, der Kontrabass führt ihn fort, sie wechseln sich ab und tanzen miteinander im Finale. Piotrek nickt dem jungen Mann im Pelzmantel zu. Der hebt sein Glas. Einige Leute applaudieren.
Piotrek und der Kontrabassist legen noch einiges nach, dann steht Piotrek auf, der Raum und auch der Kontrabassist applaudieren, er verbeugt sich und kommt zurück an unseren Tisch.
‘Wow,’ sagt Rosa, ‘denkst du nicht, dass deine Talente als Kücheneinbauer irgendwie vergeudet sind?’
Piotrek zuckt mit den Schultern. ‘Musst mit Karten spielen, die Leben dich gegeben hat. Was kann ich machen? Gibt nicht viel Arbeit als Pianist.’
In dem Moment taucht abermals der Kellner bei uns am Tisch auf, ein Tablett mit sechs Cocktails elegant auf einer Hand balancierend und sagt ‘With compliments from Mr Pohlmann,’ und beginnt sie zu verteilen. Wir gucken uns um. Hinten an der Bar in der Ecke sitzt der riesige Küchenchef, jetzt in Zivil, Zigarre in der Hand und tippt sich mit zwei Fingern zum Gruß an die Stirn. Er grinst.
‘Wer ist das?’ fragt Piotrek, ‘Freund von euch?’
‘Das,’ sagt Rosa, ‘ist Herr Pohlmann, der unseren Kaffee gekauft hat.’
Sie steht auf und geht zur Bar, wo sie ein paar Worte mit Herrn Pohlmann wechselt. Dann erhebt der sich, schnippt dem Kellner einmal zu, woraufhin der sofort gerannt kommt. Herr Pohlmann zeigt auf einen Sessel an einem freien Tisch, der Kellner wieselt dorthin und schleppt den Sessel an unseren Tisch.
‘N’Abend,’ sagt Herr Pohlmann, ‘ich mach’ dann mal so, ne,’ sagt er und klopft auf den Tisch. Der kommt wirklich aus Husum.
Er lässt sich etwas schwer in den Sessel fallen, der Kellner kommt und bringt ihm einen Aschenbecher und seinen Whisky.
‘Das ist Herr Pohlmann,’ sage ich zu den anderen gewandt, ‘er ist hier Küchenchef,’ dann stelle ich die anderen vor.
‘Sach man Martin zu mir,’ sagt Herr Pohlmann, ‘Ihr lasst Euren Verdienst also im Haus, wie ich sehe,’ grinst er Rosa und mich an.
‘Ist unser letzter Abend in London,’ sagt Rosa, ‘morgen geht’s weiter, da wollten wir ein bisschen feiern.’
‘Verstehe,’ sagt Herr Pohlmann, ‘wo geht’s denn morgen hin, zurück in die Heimat?’
‘Nee,’ sage ich, ‘nach Amerika.’
‘Ach, nach Amerika?’ Martin ist überrascht. ‘Ihr alle?’
‘Nein, Piotrek und Staszek wohnen hier in London.’
Martin nickt. Dann wendet er sich an Piotrek, ‘Ich mag, was du spielst.’
Piotrek ist sichtlich erfreut.
‘Och ja, ich spiele ja nicht viel, nur so kleine Melodie.’
‘Wo spielst du denn sonst so?’ will Martin wissen.
‘Nein, ich spiel gar nicht mehr, hab’ keine Klavier hier in England. Ich bau ein die Küchen.’
Martins Augen werden groß, dann schüttelt er langsam den Kopf.
‘Immer die gleiche Geschichte,’ sagt er, ‘alle die was taugen landen irgendwann auf der Straße.’
Piotrek guckt etwas betreten, dann sagt er, ‘Aber hat Spaß gemacht zu spielen heute,’ und lächelt Martin an.
Der lächelt zurück. ‘Hättest du denn Lust, mal öfter hier zu spielen?’
Piotrek versteht nicht ganz.
Martin winkt dem Kellner zu, der sofort an unseren Tisch kommt. Er ist durch Herrn Pohlmann offensichtlich ähnlich eingeschüchtert, wie es der Hoteldiener bei unserer ersten Begegnung war.
‘Hol’ mir mal den Klaus,’ sagt er.
‘Sehr wohl, Herr Pohlmann,’ sagt der Kellner in sehr akzentuiertem Deutsch.
‘Sprechen die hier alle Deutsch?’ frage ich Martin.
‘Mit mir schon,’
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