Auf die feine Art
Rechtsbeistand sein, wenn du Armi gefunden hast? Stehst du nicht selbst sozusagen unter Verdacht?«, fragte Mallu überraschend sachverständig.
Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Bisher hatte niemand meine Rolle in Frage gestellt, und es gab auch kein Gesetz, das mir verboten hätte, Kimmo juristisch zu vertreten, aber moralisch befand ich mich in einer schwierigen Situation. Ich hatte mich schon gewundert, dass Pertsa mich nicht schärfer vernommen hatte. Vielleicht war er so fest von Kimmos Schuld überzeugt und wollte seine Energie nicht auf mich verschwenden.
»Die Polizisten haben uns so wenig erzählt … Armi ist erwürgt worden … Hat man ihr … Hat man ihr sonst noch was angetan?«, fragte Armis Vater. Ob sie sexuell missbraucht worden war, wollte er vermutlich wissen, das war immer das Erste, wonach die Väter ermordeter Mädchen fragten.
»Armi ist erwürgt worden, aber sonst ist ihr nichts geschehen.«
Sonst nichts. Als wäre Erwürgen nicht genug.
»Hat … hat sie sehr gelitten?«, stammelte Paavo Mäenpää.
Ich dachte an Armis bläulich schwarzes Gesicht, an die heraushängende Zunge und an die tiefen Spuren, die die Zehen mit den rosa lackierten Nägeln in den Rasen gegraben hatten.
»Es muss ganz schnell gegangen sein. Wahrscheinlich war sie in weniger als einer Minute bewusstlos«, sagte ich tröstend. Eine Minute, das hört sich so kurz an, aber Armi war es sicher unendlich lang vorgekommen, und ihrem Mörder auch.
Die Stille, die auf meine Worte folgte, umhüllte uns wie dicker Nebel, der die Geräusche der Außenwelt dämpfte und unwirklich erscheinen ließ. Nur das Ticken der Uhr auf der Schrankwand erinnerte daran, dass die Zeit nicht stehen geblieben war.
»Armi hat uns nie Ärger gemacht«, sagte Armis Mutter plötzlich. »Warum musste sie gerade jetzt sterben, wo sie doch heiraten wollte! Ich dachte immer, Kimmo wäre ein ordentlicher junger Mann …«
Mallu klopfte ihrer Mutter beruhigend auf die Schulter.
»Und Sie verteidigen Kimmo auch noch? Bestimmt wollen Sie wissen, ob Armi noch andere Freunde hatte, so wie die Polizisten gestern. Unsere Armi war ein anständiges Mädchen, sie hat mit einem Freund genug gehabt. Was ist bloß in diesen Kimmo gefahren?«, grämte sich Armis Vater.
Die Fragen, die ich mir zurechtgelegt hatte, erschienen mir plötzlich überflüssig und grausam. Sie Armis Eltern zu stellen war sinnlos, zumindest vorläufig.
»Also … ich melde mich später noch einmal, vielleicht Ende nächster Woche. Es tut mir Leid«, sagte ich und meinte alles, Armis Tod, meine Aufdringlichkeit, Kimmo. Ich trat den Rückzug Richtung Haustür an, als Mallu mich plötzlich fragte, ob ich sie nach Tonttukumpu mitnehmen könne.
»Vater, hör mal, ich schau ganz kurz zu Hause vorbei und nehm die Wäsche von gestern aus der Maschine, damit sie keinen Schimmel ansetzt. Ich komm so schnell wie möglich zurück, eine kleine Weile schafft ihr es doch auch allein.«
Mallus Aufbruch glich einer Flucht. Als wir auf die Turuntie abbogen, setzte sie zu einer Erklärung an:
»Ich hab tatsächlich gestern die Wäsche in der Maschine vergessen, als mein Vater anrief. Danke fürs Mitnehmen, ich hab nämlich kein Auto, das hat Teemu gekriegt.«
»Wer ist Teemu?«
»Teemu Laaksonen. Mein künftiger Exmann«, sagte Mallu düster. »Darf ich rauchen?«
»Geht leider nicht, der Wagen gehört nämlich nicht mir, sondern der Kanzlei.«
Während meine künftige Schwägerin Marita von Natur aus hager war, schien Mallu Laaksonen vom Kummer ausgezehrt zu sein. Ihre dunkle Kleidung war ein paar Nummern zu groß, für eine Dreißigjährige hatte sie viel zu tiefe Falten im Gesicht, in den braunen Haaren waren schon einige graue Strähnen zu sehen. Ihr Gesichtsausdruck wirkte eher verbittert als traurig. Fehlgeburt, Scheidung und Tod der Schwester, und das alles in einem halben Jahr, wie konnte man damit überhaupt fertig werden?
»Was willst du denn über Armi wissen?«, fragte Mallu und stopfte sich ein Kaugummi in den Mund. Sie gierte offenbar fürchterlich nach einer Zigarette, vielleicht war sie eine von den Frauen, die sich auch als Erwachsene nicht trauen, vor den Augen ihrer Eltern zu rauchen.
»Alles Mögliche. Ihr Lebenslauf, frühere Liebhaber, Freundeskreis. Ihr habt doch sonst keine Geschwister?«
»Nein. Die große Tragödie unserer Familie: nur zwei Töchter, kein Sohn. Mein Vater hatte eine kleine Spedition, zwei LKWs und einen Kleintransporter. Es war sein
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