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Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Aufregung gelegt hatte.
    Kaum zu Hause angekommen, startete ich auch schon zu meiner üblichen Joggingrunde. Mein Knie hielt die Strecke gut durch, aber die linke Schulter schmerzte jedes Mal, wenn ich den linken Fuß in zu spitzem Winkel aufsetzte. Ich lief auf die Insel Karhusaari und bewunderte die frisch renovierte alte Villa, die ich bisher nur unter Planen gesehen hatte. Der Strand war menschenleer, ich joggte in den schattigen Wald und achtete sorgsam darauf, nicht über freiliegende Baumwurzeln zu stolpern. Der Verkehrslärm vom Westring drang nicht bis hierher, außer Vogelgezwitscher war kein Laut zu hören. Am Ufer machte ich ein paar Sprintübungen und lief dann in ruhigem Tempo über den Waldweg zurück. Da hörte ich hinter mir lautes Stampfen und keuchende Atemzüge. Irgendwer verfolgte mich in Carl-Lewis-Tempo.
    Instinktiv beschleunigte ich meine Schritte. Ich hasse es, wenn jemand mich beim Laufen einzuholen versucht. Ein verstohlener Blick über die Schulter brachte nicht viel, ich sah nur einen dunklen Jogginganzug, der im Schatten der Bäume verschwand. Der verkappte Lewis bog auf einen Pfad ein, der ins Innere der Insel führte. Vielleicht nahm er eine Abkürzung und lauerte mir weiter unten am Ufer auf, bereit, mich ins Meer zu stoßen wie Sanna …
    Erst als ich beinahe über eine Kiefernwurzel gestolpert wäre, setzte mein Verstand wieder ein. Wer sollte mir denn auflauern? Bestimmt hatte ich dem Fahrradunfall viel zu große Bedeutung beigemessen. Dennoch war ich erleichtert, als ich den Weg erreichte, der am Westring entlangführte und auf dem Radfahrer und Spaziergänger unterwegs waren.
    Gegen neun fing ich an, mich für den Club Bizarre zu stylen. Ich zog den glänzenden schwarzen Trikotbody an, den ich manchmal beim Aerobic trage. Dazu Netzstrümpfe, den Lederrock und die Stöckelschuhe mit den 7-cm-Absätzen. Ich brauchte eine Viertelstunde und eine halbe Flasche superstarkes Haarspray, um die Wuschelfrisur so hinzukriegen, wie ich sie wollte. Aus den unergründlichen Tiefen meines Schminkbeutels fischte ich hellen Puder, schwarzen Eye-Liner und feuerroten Lippenstift. Oft genug hatte ich über mich selbst geflucht, weil ich es nicht übers Herz brachte, mein altes Make-up wegzuwerfen. Offenbar war ich doch klüger gewesen, als ich dachte.
    Als ich fertig war, tänzelte ich in den Flur und zog die schwarze Lederjacke über. Im großen Garderobenspiegel erblickte ich die Maria von vor zehn Jahren. Das gleiche geschmacklose, punkige Make-up wie damals, die gleiche wilde Mähne, in der ein kleines Tier hätte nisten können, die Lederjacke als schützende Uniform. Aber ich selbst war nicht mehr dieselbe wie damals in der Oberstufe. Obwohl ich nicht wesentlich älter wirkte, sah ich anders aus, sogar schöner. In meinen Augen lag mehr Selbstsicherheit, längst plagten mich nicht mehr so viel Ängste wie damals. Wie gut, dass ich diese Jahre hinter mir hatte.
    Ich stöckelte die Treppe hinunter und klopfte an die Tür zu Anttis Arbeitszimmer.
    »Darf ich reinkommen und mich zeigen?« Amüsiert stellte ich fest, dass Antti große Augen machte.
    »Wow! Das solltest du öfter machen. Dreh dich mal um. Yeah! Was hast du denn drunter an? Vielleicht sollte ich doch besser mitgehen«, feixte Antti. »In dem Outfit kommst du noch in Schwulitäten.«
    »Ich kann schon selbst auf mich aufpassen«, lächelte ich.
    »Hoffentlich sitzen keine von unseren Klienten im Bus. Ich genehmige mir noch einen Drink, bevor ich gehe, trinkst du einen mit?«
    »Ich setz mich so lange zu dir, aber trinken mag ich nichts, ich will heute Abend noch arbeiten.«
    Wenn er so weitermachte, bekam Antti seine Dissertation noch vor dem Jahresende fertig, auch wenn er zwischendurch immer wieder Verzweiflungsanfälle hatte, die ihn veranlassten, seine Aufzeichnungen an die Wand zu schmeißen und mich zu löchern, ob ich ihn lieb hätte, auch wenn er es zu nichts brächte – nicht zum Doktorhut, meinte er wohl. Anttis Assistentenstelle war ihm noch drei Semester sicher, aber er hatte oft davon gesprochen, gleich nach der Promotion, also nächstes Frühjahr, ins Ausland zu gehen, wahrscheinlich in die USA. Für mich gab es dort nichts zu tun. Oder brauchte das FBI eventuell Verstärkung aus Finnland?
    Ich goss mir eine ordentliche Portion von dem Zitronenwodka ein, den die Sarkelas mitgebracht hatten, und füllte das Glas mit Sprite auf. Eigentlich hätte ich mir Alkohol verkneifen müssen, immerhin war ich dienstlich unterwegs,

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