Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf die feine Art

Auf die feine Art

Titel: Auf die feine Art Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
ich hab doch wohl das Recht, mein eigenes Leben zu leben? Ich verlange doch nichts weiter von euch, als dass ihr mich in Ruhe lasst!«
    »Willst du überhaupt etwas mit uns zu tun haben?«, fragte Helena gellend. »Bedeutet es dir eigentlich etwas, dass du zwei Schwestern hast?«
    Ich schaute an ihnen vorbei über die Bucht, wo eine verspätete Ente auf das Schilf zuschwamm, das im Licht der untergehenden Sonne die Farbe reifer Pflaumen annahm. Das Bild verschwamm, die Schilfhalme verschmolzen zu einer violetten Masse.
    »Warum stellst du solche Fragen? Man kann doch seine Familie nicht einfach streichen. Sie ist immer da, selbst wenn man versucht, sie zu vergessen. Ich hab nichts gegen euch, ich hab nur immer geglaubt, dass … dass ihr keine Konflikte mit unseren Eltern habt. Dass an allen Konflikten ich schuld bin. Weil ich die Falsche war, weil ich kein Junge bin …«
    Die Haustür flog auf, unsere drei Männer stapften herein. Im Nu schlug die vertraulich-aggressive Stimmung in gebremste Heiterkeit um. Ich kümmerte mich um Zimmerverteilung und Bettwäsche und überlegte dabei, ob ich es bedauerte oder froh war, dass unser Gespräch unterbrochen worden war. An dem, was gerade ans Licht gekommen war, würde ich lange zu kauen haben.
    »Ich muss nachts furchtbar oft aufs Klo, hoffentlich störe ich euch nicht«, sagte Eeva an der Schlafzimmertür.
    »In unserem Zimmer hört man nichts davon. Wie geht’s Saku?«
    »Der betreibt gerade Abendsport.«
    Plötzlich hatte ich Lust, Eeva zu umarmen. Meine Schwester sah wunderschön aus mit ihrem großen Bauch und der geschwollenen Nase.
    »Darf ich nochmal?« Ich legte die Hand auf Eevas Bauch und spürte gleich darauf ein wildes Hüpfen und Treten.
    »Hallo Baby, ich bin Tante Maria«, hörte ich mich sagen. »Halt deine Mutter nicht die ganze Nacht wach!«
    »Warum warst du eigentlich so nervös, deine Verwandten sind doch ganz in Ordnung«, brummte Antti, als ich zu ihm ins Bett schlüpfte. »Hattet ihr einen netten Abend?«
    »Nett ist vielleicht nicht das richtige Wort, sagen wir lieber, es war aufschlussreich. Wir reden morgen darüber«, sagte ich und löschte das Licht.
    Dunkel wurde es nicht, das Licht der Sommernacht drang durch die dünnen Vorhänge herein. Einstein sprang aufs Bett und begann sich zu putzen, er fing mit der linken Hinterpfote an. Ich schob meinen Fuß neben seinen Schwanz, lauschte auf das gleichmäßige Geräusch der über das Fell streichenden Katzenzunge und auf Anttis ruhigen Atem. Ich versuchte, nicht über meine Schwestern nachzudenken, sondern über Armi, Sanna und Kimmo. Kimmo war bald wieder frei. Wie hatte er den Tod seiner Schwester empfunden? Hatte sich Erleichterung unter seine Trauer gemischt, vermisste er seine Schwester? Mit einem Bruder wäre ich vielleicht besser ausgekommen als mit meinen Schwestern, weil wir uns nicht ständig miteinander verglichen hätten. Oder wäre ich auf einen kleinen Bruder erst recht eifersüchtig gewesen? Wahrscheinlich. Konnte Hass zwischen Schwestern zum Mord führen? Ich dachte an Mallu und überlegte, ob Eeva und Helena bei mir Zwangsvorstellungen auslösen konnten …
    Vor dem Einschlafen versuchte ich mir vorzustellen, wie es sich anfühlt, wenn ein Kind im Bauch strampelt.

Vierzehn
Familiengeheimnisse
    Am Dienstagmorgen fuhr ich später als gewöhnlich zur Arbeit, denn meine Schwestern waren erst kurz nach neun gegangen. Von der stürmischen Auseinandersetzung am Abend war nichts mehr zu spüren, wir waren alle drei ein wenig distanziert. Wir mussten uns beeilen, aus dem Haus zu kommen, aber wenigstens zankten wir uns nicht wie früher, wenn wir vor dem einzigen Klo in unserem Elternhaus Schlange standen.
    »Kommt euch dann Saku angucken, wenn es so weit ist!«, rief Eeva, als sie schon im Taxi saß. Wir versprachen, sie in meinem einwöchigen Sommerurlaub Mitte Juli zu besuchen.
    Obwohl ich sowieso schon zu spät zur Arbeit kam, hielt ich bei Makes Laden an und spähte hinein. Es war niemand zu sehen, im Radio lief ein alter Schlager von Mauno Kuusisto, der mich an Sanna erinnerte. Sie war dabei gewesen, als ich mich als Minderjährige in die schlechtere Kneipe meiner Heimatstadt eingeschlichen hatte. Alle anderen waren schon über achtzehn. Sanna hatte die Juke-Box gefüttert und immer wieder Kuusisto gespielt, was mich sehr wunderte. Ich hatte mir eingebildet, sie würde nur Heavy oder höchstens noch Bob Dylan hören. Ich sah ihr zynisches Lächeln vor mir, das Bierglas in ihrer Hand,

Weitere Kostenlose Bücher