Auf die Freundschaft!
Tränen stiegen in ihr auf und sie zupfte zwei Tücher aus dem Handtuchspender, um ihre Tränen zu trocknen.
„Wir versuchen alles, um ein Baby zu bekommen, und Karin wird schwanger! Was ist das für ein perverses Schicksal, das so etwas zulässt?“
„Schschsch…“, machte ich und nahm Maria in den Arm, hielt sie fest und wir verharrten für einige Sekunden in dieser Position. Dann ließ ich sie los und strich über ihre wilden schwarzen Locken. Sie wischte sich die Tränen weg, atmete tief durch, straffte ihren Rücken und setzte ein Lächeln auf.
„Es geht schon wieder“, sagte sie und wir gingen zu den anderen zurück.
***
Am nächsten Tag fuhren wir bereits um die Mittagszeit zurück nach Oldenburg. Hannah fuhr und ich staunte mal wieder über das Phänomen, dass Frauen selbst nach einem gemeinsamen Wochenende noch immer genug Gesprächsstoff fanden, um eine mehrstündige Autofahrt zu füllen.
In Oldenburg angekommen setzten wir zuerst Maria ab, danach Karin. Sie wollte ihre Schwangerschaft noch am selben Abend verkünden. Wir drückten ihr die Daumen. Hoffentlich nahm ihre Familie das positiv auf!
Als wir bei mir waren, verabschiedete ich mich von Hannah, hievte meinen Koffer aus dem Auto und schloss die Wohnungstür auf. Hannah hupte, bevor sie um die Ecke verschwand.
Als ich eintrat, hörte ich Stimmen im Wohnzimmer. Hatte Mike etwa Freunde eingeladen? Ich blickte auf die Uhr: Es war halb elf. Das war viel zu spät, um noch Besuch zu haben, wenn man am nächsten Tag wieder zur Schule musste. Ich stellte meinen Koffer ab, dann ging ich ins Wohnzimmer.
Noch ehe ich Mike sah, blieb ich wie angewurzelt stehen.
„Ken!“
Kapitel 6
Ich konnte es nicht glauben: Vor mir saß tatsächlich mein Bald-Ex-Mann Ken mit Mike auf der Couch und unterhielt sich.
„Was…was machst du denn hier?“, stammelte ich auf Englisch.
Mein Herz begann heftig zu schlagen. Er räusperte sich und sah auf seine Finger. Dann blickte er mich an und sein Gesicht begann, sich seltsam zu verziehen – er weinte! In meinem ganzen Leben hatte ich ihn noch nicht weinen sehen. Es sah seltsam aus, zerbrechlich, mitleidserregend – Attribute, die ich nicht mit Ken verband.
„Mom, ich kann es erklären! Bitte, sei nicht böse auf uns. Ich hab Dad erzählt, in was für einer Wohnung wir wohnen und dass wir ihn vermissen. Er ist sofort hergeflogen. Er will dich zurück haben!“
Das klang ja, als würden wir im letzten Dreckloch wohnen! Ich wurde wütend. Natürlich war unsere Wohnung winzig im Vergleich zu dem riesigen Haus, das wir in den USA hatten, aber deswegen war es doch nicht notwendig, so einen Aufriss zu machen.
„Und du hast ihm unsere Adresse verraten? Es tut mir leid, euch beiden die Illusion zu zerstören, aber ich vermisse dich nicht, Ken.“
Dass das gelogen war, sagte ich natürlich nicht. Alleine wenn ich in Kens flehende Augen sah, zitterten mir die Knie und mein Bauch kribbelte. Er sah mitgenommen aus.
„Claudia, bitte!“, flehte Ken. „Ich vermisse euch unendlich! Wie viele Monate habe ich Mike nicht mehr gesehen? Ich will dir wirklich keine Umstände machen und einfach in dein neues Leben eindringen, aber ich konnte nicht anders. Du bist alles für mich! Das ist mir jetzt klar geworden. Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt!“
Es klang wie in einem schlechten Film, in dem man der Protagonistin zurufen will: Tu es nicht, er ist es nicht wert!
Aber mir rief niemand etwas zu.
Seine muskulösen Arme erregten mich beim bloßen Anblick und verstärkten das Kribbeln in meinem Bauch. Alles in mir sehnte sich danach, ihm um den Hals zu fallen, ihm alles zu vergeben und einfach zu vergessen, was er mir angetan hatte. Um es mit Marias Worten zu sagen: Er war die Luft, die ich atmete und der Grund, warum ich existierte.
Aber nein, ich wollte ihn nicht. Mein Kopf kämpfte erbost gegen mein Herz an. Er sollte in der Hölle schmoren! Für seine Fehler büßen! Ja, schon viel besser. Er konnte nicht einfach aus den USA herfliegen und meinen, alles sei wieder in Ordnung. Oh nein, nicht mit mir! Ich zwang mich, weder in seine Augen zu sehen, noch auf seine Arme und machte ihm klar, dass ich in einer neuen Beziehung war und in meinem Leben kein Platz für ihn sei.
„Geh in dein Zimmer Mike. Wir reden später“, zischte ich. Er musste nicht alles mitbekommen, was ich Ken sagen wollte. Mike protestierte zwar, doch Ken nickte ihm zu.
„Schon gut. Tu, was deine Mutter sagt.“
Mürrisch
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