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Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Titel: Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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etwas mit dem Auto herumgefahren. Dabei hätten sie zwei junge Frauen getroffen, die sie ein Stück mitnahmen. Allerdings hätten sie die beiden nicht nach deren Nachnamen gefragt. Sie hätten die Frauen etwas später dort abgesetzt, wo sie hinwollten, und wären dann zusammen zum Haus von Nathans Eltern gefahren, weil Nathan versprochen hatte, seine Tante und seinen Onkel, die zu Besuch waren, nach Hause zu fahren.
    Immer wieder versuchten die Ermittler, Nathan irgendwie nervös zu machen, für den Fall, dass er doch der Täter sein könnte. So fragten sie ihn nach seiner Schreibmaschine. Er gab eine, die er besaß, zur Überprüfung. Die Polizei wollte auch Schriftproben haben, die Nathan per Schreibmaschine getippt hatte. Daher besorgte sie sich einige von ihm geschriebene Briefe. Der Inhalt erstaunte sie an einigen Stellen, es ging unter anderem um »ungewöhnliche sexuelle Vorlieben«. Nathan blieb cool. Er habe den Text eines italienischen Autors übersetzen wollen, der über perverse sexuelle Verhaltensweisen schrieb. Sich mit ungewöhnlichen Themen zu beschäftigen, sei doch keine Straftat. Weiterhin räumte Nathan entspannt ein, dass er natürlich durch seine Bildung in der Lage gewesen wäre, einen Brief zu verfassen, wie er von dem oder den Entführern geschrieben worden war. Doch da sei er ja bei weitem nicht der Einzige.
    Zur gleichen Zeit wurde in einem anderen Zimmer des Hotels auch Richard befragt. Dessen Geschichte über den Tattag stimmte nicht ganz mit der seines Freundes überein. Er verlor kein Wort über die »zwei jungen Frauen« und sagte, er habe den Abend alleine verbracht. Da Nathan wusste, dass Richard seine Version mit den jungen Frauen nicht kennen konnte, spannte er einen gemeinsamen Freund ein, um dass Problem zu lösen. Dieser Freund konnte Richard dahingehend instruieren, dass er der Polizei gegenüber den sexuellen Kontakt mit den Frauen »zugab«. Es sei für zwei junge Männer aus gutem Hause natürlich äußerst unangenehm, jedoch erfordere die Situation, dass sie diese peinliche Geschichte gestehen müssten.
    Und schon stimmten die beiden Geschichten über den Tattag wieder überein. Richard war überdies so schlau, dass er »peinlich berührt« einräumte, er habe an besagtem Tag auch »ein paar Gläser über den Durst getrunken«, weshalb er sich leider nicht an Details erinnern könne. Die jungen Männer blieben noch immer sehr entspannt und sprachen sogar von sich aus mit ein paar Reportern. Diesen sagten sie, dass sie volles Verständnis für die Ermittlungen der Polizei hätten und keinesfalls verärgert seien. Nathan gab sogar die Geschichte von der »verlorenen« Brille zum Besten.
    Kurz darauf berichteten Studenten, die mit Nathan in einer Arbeitsgruppe waren, dass er nicht nur die der Polizei zur Verfügung gestellte Schreibmaschine besessen habe. Er habe einige Male ein tragbares Modell mitgebracht, mit dem er auch Unterlagen für seine Mitstudenten getippt habe. Diese Unterlagen wurden von der Polizei untersucht. Das war der Untergang des genialen, aber eben doch nicht perfekten Verbrecherduos.

Ein sinnloses, nutzloses, zielloses, motivloses Verbrechen?
    Das Lügengebäude von Nathan und Richard stürzt ein. Nathan behauptet, er habe zwar mal in der Uni auf einer tragbaren Schreibmaschine getippt, aber die besitze er längst nicht mehr. In seinem Haus kann die Polizei diese Maschine auch nicht finden, doch ein Hausmädchen bestätigt, ein solches Modell vor einiger Zeit gesehen zu haben.
    Das Umfeld der jungen Männer wird befragt. Der Chauffeur von Nathans Familie sagt aus, die Jungs hätten am Tattag gar nicht mit dem Familienwagen unterwegs sein können, weil er selbst den Wagen mehrmals in der Garage gesehen habe. Das Auto sei den ganzen Tag dort gewesen.
    Als Richard mit dieser Aussage konfrontiert wird, zeigt er erstmals seit Beginn der Verhöre eine echte Gefühlsreaktion. Er wird blass und verlangt, mit dem ermittelnden Staatsanwalt zu sprechen. Der hört sich die neue Geschichte des jungen Mannes an. Inhaltlich kann er sie verstehen, doch das lässt das Tatmotiv für einen normalen Menschen wie ihn nicht wirklich nachvollziehbarer erscheinen. Selbst der erfahrene Strafverfolger ist schockiert, mit welcher Kaltblütigkeit Richard alle Details preisgibt: Wie die beiden auf den Gedanken gekommen sind, ihre »Langeweile« mit einem »kleinen Spiel« zu vertreiben – mit einem perfekten Verbrechen. Wie sie zunächst daran gedacht haben, einen ihrer eigenen

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