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Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Titel: Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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Eigenschaft war bei Christian schon in der Kindheit stark ausgeprägt. Als er ungefähr zwölf Jahre alt war, wollte ihm eine Krankenschwester Blut abnehmen. Dagegen hatte er schon immer eine tiefe Abneigung, da er selbst in dieser Sache nicht die Kontrolle abgeben wollte. Die Krankenschwester legte seinen Finger auf ihr Bein, damit er ihn ruhig hielt. Er zog aber den Arm im letzten Moment schnell weg, sodass sie sich ins Bein stach. Als er daraufhin mit ihr heftig zu diskutieren begann, mussten ihn mehrere Pfleger auf einem Bett fixieren, damit ihm Blut abgenommen werden konnte.
Monogamie hab ich nie für mich entdeckt
    Ich frage Christian, ob ihm jemals aufgefallen ist, dass er seine Beziehungen zu anderen Menschen ungewöhnlich gestaltet. Nach längerem Überlegen antwortet er: »Also mir ist früh aufgefallen, dass ich Monogamie nicht so ganz für mich entdeckt hab.« Ich ergänze, dass dies schon ein Unterschied zu den meisten Menschen ist. Dazu sagt er: »Das ist meine sexuelle Vorliebe, gerne Frauen, die dies wollen, zu dominieren und ihnen Schmerzen zuzufügen, ja auch. Aber dass Monogamie nichts für mich ist, hab ich etwas später entdeckt als meine sexuelle Neigung. Zu dem Zeitpunkt war es aber nicht so schlimm, weil ich in verschiedenen Jugendgruppen aktiv war. Dort waren viele Mädchen, und alle lernten sich ganz locker kennen. Da war es nicht ungewöhnlich, mal miteinander zu kuscheln, was ich ganz nett fand. Weil alle in der Gruppe miteinander zu tun hatten, fiel es gar nicht so sehr auf, dass ich schon da nicht monogam war. Dort stellte ich fest, dass es einfach cooler ist, mit verschiedenen Mädchen zu kuscheln, anstatt immer nur mit derselben. Das fand da keiner ungewöhnlich.«
    Ich frage ihn nach seinen ersten Beziehungen. »Die ersten Beziehungen waren keine wirklich tiefen Liebesbeziehungen«, sagt er. »Das war gegenseitig sehr unverbindlich. Ein Mädchen und ich hatten Bock aufeinander und Lust miteinander. Wir entdeckten uns aneinander und dann schauten wir, mit wem man das sonst noch entdecken kann. Das Wort Beziehung hat da erstmal keiner in den Mund genommen. Dementsprechend war das alles gar nicht so schwierig und gar nicht so schlimm.«
    Christian stellte in den folgenden zwanzig Jahren fest, dass er nicht nur keine monogame Beziehung führen möchte, sondern auch nicht führen kann. Er hatte vier feste Beziehungen; in dreien davon nahm er sich vor, nicht fremdzugehen. Doch schon nach wenigen Monaten merkte er, dass er das nicht aushielt. Er fühlte sich zunehmend unwohl und spielte mit dem Gedanken, sich zu trennen. Erst wenn er nebenher andere Sexpartnerinnen hatte, war er auch mit seiner festen Beziehung wieder zufriedener. Ebenso erträgt er es nicht, zu viel Zeit mit einer Partnerin zu verbringen. Er sagt, mehr als drei Tage pro Woche mit derselben Frau hält er auf Dauer nicht aus.
    Seine mit Abstand längste Partnerschaft hielt deshalb, weil die damalige Freundin mit einer für beide »offenen Beziehung« sehr gut leben konnte. Heimlich fremdzugehen war also nicht notwendig. Außerdem war es eine Wochenendbeziehung, sodass Christian ausreichend Zeit für sich selbst hatte. Diese Art, mit Beziehungen und Sex umzugehen, ist – wie Sie inzwischen wissen – sehr typisch für psychopathische Menschen. Doch bitte vergessen Sie nicht: Ein Merkmal allein macht keinen Psychopathen aus, manche nicht-psychopathische Menschen gestalten ihr Liebesleben ähnlich. Aus psychologischer Sicht haben Menschen, die dauerhaft so leben – egal ob psychopathisch oder nicht –, einen Grund dafür. Der ist vielen von ihnen aber gar nicht oder nicht im vollen Umfang bewusst.
    Die Nähe-Allergie
    Stellen Sie sich vor, Sie spazieren im Urlaub durch ein schönes, unbewohntes Tal. Es ist Frühling, die Sonne scheint und alles blüht. Sie sind schon länger unterwegs und etwas erschöpft. Deshalb halten Sie Ausschau nach einem geeigneten, schattigen Platz, um eine Pause einzulegen. Da sehen Sie mitten auf einer Wiese einen großen, blühenden Kirschbaum. Das kommt ihnen gerade recht, denn der Baum spendet Schatten und sieht auch noch schön aus.
    Gutgelaunt spazieren Sie also auf den Baum zu. Doch je näher Sie kommen, umso unwohler fühlen Sie sich. Ihre Augen fangen an zu jucken und zu tränen, Ihre Nase kribbelt, Ihr Hals kratzt, das Schlucken fällt Ihnen schwerer und es wird immer schwieriger für Sie, zu atmen. Was tun Sie?
    Sie setzen sich sicher nicht unter den Baum. Stattdessen werden Sie

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