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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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motivierten Morden und Tötungsdelikten) schreibt er:
    »Der Herr unser Gott sagt: Du sollst nicht töten.
    Das fünfte Gebot (…) der heiligen Bibel
    (…)
    Todesermittlungen stellen eine große Verantwortung dar.
    Lass dich deshalb durch niemanden von der Wahrheit
    und deiner persönlichen Verpflichtung dazu abhalten,
    dafür zu sorgen, dass die Gerechtigkeit hergestellt wird.
    Nicht nur für den Verstorbenen,
    sondern ebenso für seine Angehörigen.
    Denk daran: Du arbeitest für Gott.«
    Ermittler und Wissenschaftler, die im forensischen Bereich arbeiten, sind charakterlich oft sehr verschieden. Die Ermittler wollen wissen: »Wer hat was getan, und wie können wir den Täter überführen?« Der Glaube, dass die Täter einfach »böse« sind und sie selbst für das »Gute« kämpfen, macht es ihnen möglich, mit den Dingen umzugehen, die sie zu sehen bekommen. Gerade wegen dieser Grundeinstellung haben viele Polizeibeamte kein Verständnis für Therapeuten und Gutachter, die mit Straftätern arbeiten.
    Ein psychologischer oder psychiatrischer Gutachter, der vor Gericht aussagt, schätzt ein, aus welchen Gründen ein Täter eine Tat beging und in welchem psychischen Zustand er dabei war. Daraus leitet er ab, ob der Täter schuldfähig war und wie gefährlich er voraussichtlich in Zukunft für andere Menschen sein wird. Schuldfähig ist ein Täter dann, wenn er während der Tat verstehen konnte, dass seine Tat ein Unrecht ist, und wenn er seine Handlungen während der Tat bewusst steuern konnte. Eine solche Einschätzung sehen zahlreiche Polizeibeamte – wie viele andere Menschen auch – als »Entschuldigung« des Täters. Sie begreifen nicht, dass eine sachliche Erklärung keine moralische Entschuldigung ist.
    Noch weniger können sie verstehen, warum Therapeuten wie ich sich entscheiden, mit Gewalt- und Sexualstraftätern zu arbeiten, sind diese in ihren Augen doch die Ausgeburt des Bösen schlechthin. Aus dieser Perspektive haben solche Täter erstens keine Therapie »verdient«; und zweitens kann man das »Böse« sowieso nicht therapieren.
    Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Therapeut, der mit Sexual- und Gewaltstraftätern arbeitet. Auf einer Party lernen Sie einen Menschen kennen, der Ihnen sympathisch ist. Er wird bald wissen wollen, was Sie beruflich machen. Sie antworten ihm wahrheitsgemäß. Was denken Sie, wie Ihr Gegenüber darauf reagiert?
    Im besseren Fall ernten Sie nur Mitleid, weil Sie ein naiver Trottel sind, der an eine bessere Welt glaubt. Im schlechteren Fall lösen Sie Empörung aus: Ihnen ist es zu verdanken, dass diese Täter nicht angemessen bestraft werden, dass ihnen in der Therapie doch nur »der Arsch gepudert« wird und dass ohnehin alles eine riesige Verschwendung von Steuergeldern ist, mit denen man lieber den Opfern helfen sollte. Einige meiner Kollegen haben es aufgegeben, mit vernünftigen Argumenten gegen diese Mauer aus Vorurteilen und Fehlinformationen ankommen zu wollen. Sie belassen es dabei, dass sie Psychologen sind, die Therapien durchführen, und vermeiden weiter gehende Diskussionen.
    Ich persönlich bin immer noch hartnäckig genug und setze den vielen Vorurteilen sachliche Argumente entgegen. Manchmal gestehen mir Leser des Buches »Aus der Dunkelkammer des Bösen« nach öffentlichen Vorträgen oder per E-Mail, dass ich ihre Meinung über Therapien für Sexual- und Gewaltstraftäter grundlegend verändert habe. Das zeigt mir, dass Argumente in dieser Sache immerhin einige Menschen erreichen. Das ist mir die Sache auf jeden Fall wert.
Gott das Seine und den Menschen das Ihre
    Wenn ich therapeutisch mit einem Straftäter arbeite, dann stelle ich mir erst gar nicht die Frage, ob er »böse« ist – und, wenn ja, wie »böse«. Meiner Meinung nach könnte diese Frage, wenn überhaupt, nur einer wirklich beantworten, nämlich Gott – und an den glaube ich nicht. Mich interessieren daher nur Fragen, die ich mit den besten Mitteln beantworten kann, die Menschen zum Verstehen und zum Verändern der Welt zur Verfügung stehen: mit den Methoden und Erkenntnissen der Wissenschaft.
    Fragen, die ich mir über den Täter stelle, sind: Welche Eigenschaften hat dieser Täter? Weshalb hat er diese Eigenschaften? Welche seiner Eigenschaften haben dazu beigetragen, dass er genau diese Straftat begangen hat? Hat er auch Eigenschaften, die ich in einer Therapie nutzen kann, um in ihm etwas zu verändern? Lässt sich der Täter durch eine Therapie so verändern, dass er nach seiner

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