Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
führen.
Je mehr psychopathische Eigenschaften in einem Menschen ausgeprägt sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Straftaten begehen oder zumindest anderen Menschen schaden wird. Doch auch Menschen mit überdurchschnittlich ausgeprägten psychopathischen Eigenschaften werden nicht immer kriminell. Zwei nichtkriminelle Männer mit einer mittelgradig psychopathischen Persönlichkeit werden Sie in diesem Buch kennenlernen. Obwohl vieles, was sie denken und tun, einem normalen Menschen sehr seltsam, vielleicht auch unheimlich vorkommt, können sie dies sehr gut vor anderen verbergen.
Psychopathische Straftäter wie Hannibal Lecter, die nur zum eigenen Vergnügen oder Vorteil morden und dabei nach außen hin die »netten Kollegen und Nachbarn« bleiben, findet man in allen Zeiten und Kulturen. Einige solcher Täter werde ich in diesem Buch vorstellen. Wenn Sie Psychopathen durch die Augen eines Psychologen sehen wollen, müssen Sie aber zuerst das »Handwerkszeug« kennenlernen, mit dem Psychologen arbeiten. Ich beschreibe dieses Handwerkszeug gern als »psychologische Baukästen«. Nur wenn Sie diese Baukästen verstehen, werden Sie später auch das »Baukastenset« Psychopath begreifen.
Psychologische Baukästen
Mich hat immer schon interessiert, wie Menschen in ihrer Persönlichkeit funktionieren. Warum hat eine Person ganz bestimmte Eigenschaften? Warum trifft sie bestimmte Entscheidungen? Warum verhält sie sich so und nicht anders? Wie hängt ihre Persönlichkeit mit den Persönlichkeiten ihrer Freunde und Partner zusammen?
Früh war mir klar, dass ich die Antworten darauf wahrscheinlich nur in der Psychologie finden würde. Deshalb besuchte ich während meiner Schulzeit einen entsprechenden VHS-Kurs. Außerdem begann ich, nach einem Schulpraktikum in den Sommerferien, nachmittags als freie Mitarbeiterin für einen Psychologischen Psychotherapeuten zu arbeiten. In dieser Zeit lernte ich genug, um zu wissen, dass ich dieses Fach später unbedingt studieren wollte.
Seither habe ich schon sehr viele Antworten auf die Fragen gefunden, die mich früher beschäftigten. Das hat sich allerdings auch deutlich darauf ausgewirkt, wie ich Menschen wahrnehme, nämlich zerlegt in »psychologische Bausteine«. Ein psychologischer Baustein ist für mich eine menschliche Eigenschaft, die ich psychologisch beschreiben und benennen kann.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung. Jemand, den ich kennenlerne, erzählt mir übertrieben lange und ausführlich von seiner glänzenden Karriere, von seinen herausragenden Fähigkeiten als Vorgesetzter und von den vielen Luxusgütern, die er sich problemlos leisten kann. Diese Informationen »übersetze« ich für mich in »psychologische Bausteine« und ziehe meine Schlussfolgerungen daraus. Es ist, als würde ich innerlich eine Notiz zu dieser Person anlegen.
Das wäre im genannten Beispiel: »Übersteigertes Bewusstsein der eigenen Wichtigkeit; glaubt besonders und einzigartig zu sein; benötigt exzessive Bewunderung; verhält sich arrogant = wahrscheinlich narzisstische Persönlichkeit, weitere Informationen beachten.« Für mich sind die »psychologischen Bausteine« einfach eine Liste hervorstechender Eigenschaften. Diese Beschreibung meine ich nicht wertend. Im Gegenteil: Ich finde Menschen mit ganz unterschiedlichen, stark ausgeprägten Eigenschaften sehr interessant – sowohl beruflich als auch privat. Dass Menschen so verschieden sind, macht die Welt spannend und bunt.
Will man Menschen aufgrund ihrer Eigenschaften psychologisch beschreiben, kann man dafür unterschiedliche Theorien und Modelle benutzen. Im Prinzip ist es wie bei Lego-Steinen: Eine psychologische Theorie oder ein psychologisches Modell stellt ein »Bauset« dar. Darin sind viele Bausteine enthalten, also die zu diesem Set gehörenden hervorstechenden menschlichen Eigenschaften. Bei Lego kann man mit dem einen Set eine Ritterburg bauen, mit dem anderen ein Krankenhaus. Die Steine der verschiedenen Sets kann man aber auch zusammen benutzen, um etwas Neues zu bauen. Ähnlich kreativ kann man nach längerer Zeit auch verschiedene psychologische Bausets nutzen, um eine Person immer klarer in ihren psychologischen Bausteinen wahrzunehmen.
Seltsame Gemeinsamkeiten
Als Kind verbrachte ich viel Zeit alleine. Gleichaltrige fand ich eher uninteressant, weil ich sie nicht verstand und sie mich nicht. Ich tobte nicht gerne bei Sonnenschein auf Spielplätzen herum, ich konnte Pferden, Kinder- und
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