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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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wirklich ganz zu Ende machen wollen. Manche zeigen sich während der Therapie selbst an für Taten, die nie ans Licht gekommen wären. Das tun sie, weil sie lernen, dass die Therapie ihnen nur nützen wird, wenn sie alles aufarbeiten und für ihre Schuld geradestehen.
    Täter, die ihre Therapie bis zum Ende nutzen, egal wie anstrengend und unangenehm es dabei immer wieder für sie wird, entwickeln folgende Einstellung:
    »Wenn ich diese Therapie nicht ernsthaft mache, könnte ich draußen vielleicht wieder jemandem schaden. Dann würde ich früher oder später den Rest meines Lebens im Knast verbringen. Hätte ich mich und mein Leben im Griff gehabt, dann hätte ich so was nie getan und wäre nicht hier gelandet.
    Das hier ist meine einzige Chance, mich der ganzen Scheiße in mir zu stellen. Zu kapieren, warum ich das getan habe. Warum ich so geworden bin. Was ich in Zukunft anders machen, wissen und beachten muss. Nur weil ich selbst viel Scheiße erlebt habe, gibt mir das nicht das Recht, andere zu verletzen. Mich verändern, dadurch niemandem mehr schaden, ein zufriedenes Leben aufbauen – das kann ich nur schaffen, wenn ich die Therapie wirklich nutze.
    Tue ich es nicht, wird in meinem Leben früher oder später wieder etwas schiefgehen, und ich werde vielleicht noch mehr Schaden anrichten. Dann wird es zu spät sein, um noch etwas zu ändern.«
    Manche Straftäter rufen noch Monate oder Jahre später ihre Therapeuten im Knast an und erzählen, wie es ihnen geht. Viele sagen, dass sie sehr froh sind, die Therapie gemacht zu haben, dass es ihr Leben positiv verändert hat. Ich bin entlassenen Insassen der Sozialtherapeutischen Anstalt auch schon außerhalb wieder begegnet. Einmal saß ich abends im Regionalexpress auf dem Weg zu einem Konzert, als mir ein ehemaliger Gruppenteilnehmer entgegenkam. Er grinste, als er mich in meinen Grufti-Klamotten sah, und begrüßte mich freundlich. Ich fragte, wie es ihm gehe. Er erzählte zu meiner Freude, wohin er gezogen sei, dass er Arbeit gefunden habe und zur Zeit alles gut laufe.
Mit denen arbeiten, die von der Welt aufgegeben wurden
    Warum habe ich diesem Mensch erlaubt,
    meine Seele zu berühren und mir Mitgefühl beizubringen?
    Er behandelte mich wie einen normalen Menschen,
    er glaubte an mich.

    (Jean Valjean in »Les Miserables«
– nach dem Roman von Victor Hugo)
    Ich habe öfter erlebt, dass Straftäter, die in der Sozialtherapeutischen Anstalt behandelt werden, sehr dankbar dafür sind, dass überhaupt jemand mit ihnen arbeitet und sie menschlich behandelt. Sie wissen sehr genau, wie die Leute draußen sie sehen. Nicht wenige wurden von Freunden und Familie wegen ihrer Tat verstoßen. Ihnen ist klar, dass viele Menschen ihnen nur das Schlimmste wünschen, sie für Monster halten und glauben, sie könnten sich nicht verändern. Gerade deshalb wissen sie sehr zu schätzen, dass es Therapeuten, Sozialarbeiter und Vollzugsbedienstete gibt, die sie als Menschen sehen und mit ihnen entsprechend umgehen.
    Als ich eine junge Studentin war und mein Praktikum in der Sozialtherapeutischen Anstalt machte, wollte ich einmal den Knastalltag erleben, nachdem die normale Arbeitszeit der Psychologen (um 17 Uhr) zu Ende war. Ein sehr freundlicher, engagierter Vollzugsbediensteter setzte sich in dieser Sache für mich ein. Er übernahm die persönliche Verantwortung für meine Sicherheit während dieser Zeit, sodass mir erlaubt wurde, ihn einen Nachmittag und einen Abend lang bei seinem Dienst zu begleiten.
    Er war bei vielen Gefangenen beliebt, gestaltete Freizeitangebote für sie mit, setzte sich für sie ein, behandelte sie freundlich. Als er, gerade 42-jährig, an einer schweren Krankheit starb, waren auch viele Gefangene traurig; er fehlte, das spürte jeder. Den überaus interessanten Einblick in den Knastalltag der Gefangenen – zwischen Arbeitsschluss und Einschluss auf ihren Zellen – hätte ich ohne ihn so niemals bekommen. Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein.
    An diesem Nachmittag und Abend sprach ich mit verschiedenen Gefangenen, die auf ihrer Abteilung gemeinsame Freizeit verbringen durften. In diesen Stunden dürfen in einer Sozialtherapeutischen Einrichtung alle Gefangenen auf dem langen Gefängnisflur zwischen ihren dann aufgeschlossenen Gefängniszellen miteinander ihre Zeit gestalten. Viele spielen Karten, Gesellschaftsspiele oder Kicker. Dass dieser »Luxus«, den Inhaftierte in anderen Gefängnissen so nicht haben, in einer Sozialtherapeutischen Anstalt

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