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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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miteinander verbindet – der Corpus Callosum –, kann etwas kleiner als normal ausfallen. Außerdem kann der Aufbau eines wichtigen vorderen Teils des Gehirns – des präfrontalen Cortex – beschädigt sein. Dies ist genau der Teil, der bei Phineas Gage durch die Eisenstange zerstört wurde. Dieser genau hinter unserer Stirn sitzende Hirnteil arbeitet eng mit dem »Gefühlszentrum« des Gehirns zusammen. Er lässt uns unter anderem verstehen, was andere Menschen fühlen, er ist beteiligt an moralischen Entscheidungen, die wir treffen, und er steuert unser Verhalten anderen Menschen gegenüber.
    Diese deutlichen Veränderungen bewirken, dass die Betroffenen anders fühlen als normale Menschen, weil ihre Gefühle schlechter vom Gehirn verarbeitet und gesteuert werden. Sie empfinden zu oft oder zu selten zu starke oder zu schwache Gefühle. Bei einigen wechseln diese Zustände auch. Das macht sich für sie und andere vor allem in Situationen bemerkbar, in denen »Gefühle« ausgelöst werden oder sollten. Im falschen Moment zu viel oder zu wenig zu empfinden, wirkt sich nämlich direkt darauf aus, was ein Mensch denkt, und somit auch darauf, was er tut. Wie Sie am Beispiel von Psychopathen sehen können, beeinflusst dies ganz erheblich, wie die Persönlichkeit eines erwachsenen Menschen aussieht.
    Denn so frühe und deutliche Störungen der Gefühle wirken sich auf sehr viele wichtige andere Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensweisen des Menschen aus. Sie beeinflussen unter anderem:
    – ob er aus schlechten Erfahrungen lernt oder immer wieder die gleichen Fehler macht.
    – ob er sich aus Angst – sei es vor Gefahr oder Strafe – an Regeln hält.
    – ob er gefährliche Dinge tut oder extreme Erlebnisse sucht, weil er entweder zu wenig fühlt und daher starke »Anregung« braucht oder weil er zu viele schlechte Gefühle damit überdecken will.
    – ob er Frust und Kränkung gut aushalten kann.
    – ob er auf eine kurzfristige Belohnung verzichten kann, um ein längerfristiges Ziel zu erreichen.
    – ob er sich in andere Menschen und ihre Emotionen einfühlen kann und ob diese für sein Empfinden eine Rolle spielen.
    Vielleicht verstehen Sie nun, warum die Regel gilt: Je stärker psychopathisch ein Mensch nach der Psychopathie-Checkliste von Hare ist, umso mehr war er in früher Kindheit Erlebnissen ausgesetzt, denen sein Gehirn zu diesem Zeitpunkt im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht »gewachsen« war.

KAPITEL 6
UNSICHTBARE PSYCHOPATHEN:
DIE ECHTEN DEXTERS
    Er brachte mir bei,
    dass keiner von uns ist,
    wer wir nach außen hin
    zu sein scheinen.

    (Zitat aus der Fernsehserie »Dexter«)
    In diesem Kapitel werde ich Ihnen zwei mittelgradig psychopathische Interviewpartner näher vorstellen, die »unentdeckt« mitten in Deutschland leben. Obwohl ihre Gefühle, Gedanken und auch einige ihrer Handlungen sich als deutlich »psychopathisch« von denen »normaler« Menschen unterscheiden, begingen sie als Erwachsene keine Straftaten und werden dies wahrscheinlich auch nie tun. Bevor Sie diese beiden psychopathischen Männer im Interview ohne die »Maske der Normalität« – die sie sonst tragen – kennenlernen, möchte ich aber etwas zur Trennlinie zwischen nur »seltsamen« und tatsächlich »gefährlichen« Menschen sagen. Wenn Sie diese Trennlinie begreifen, werden Sie besser verstehen, warum meine beiden Interviewpartner nicht die Grenze zu einer kriminellen Laufbahn überschritten haben.
Wer wir sein können –
Mehr als die Summe unserer Eigenschaften
    Aber ich bin kein Puppenspieler.
    Alles was passiert, geschieht ohne mein Zutun.
    Ich bereite nur die Bühne vor.
    Du bist es selbst, der an den Fäden zieht.

    (Der Teufel alias John Milton im Film
»Im Auftrag des Teufels«)
    Vielen Psychologen steht zunächst spontan das Entsetzen im Gesicht, wenn ich ihnen erzähle, was ich beruflich mache. Der Grund ist dabei nicht hauptsächlich, dass ich mich viel mit schweren Straftaten beschäftige. Die meisten meiner Kollegen sind eher entsetzt darüber, was für ein ungewöhnliches »Berufsmodell« ich mir »zusammengebastelt« habe. Nach dem abgeschlossenen Psychologiestudium kann man sich in Deutschland nämlich nicht einfach so als Psychotherapeut niederlassen – wie viele glauben. Vorher muss man eine mehrjährige, selbst finanzierte, kostspielige »Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten« absolvieren. Wenn man sich, wie ich, schon während der Psychotherapieausbildung selbstständig macht,

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