Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
Wurm«. Deshalb tun Narzissten wirklich alles dafür – teils ohne Rücksicht auf ihre Mitmenschen –, um sich immer wieder neue Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Sie können nie genug Lob und Anerkennung bekommen. Außerdem schlagen sie – körperlich, mit Worten oder Intrigen – erbittert zurück, wenn jemand sie kritisiert. Einer meiner Ausbilder, der Psychologe und Experte für Persönlichkeitsstörungen Professor Rainer Sachse, beschreibt diese Eigenschaft in Anlehnung an die »Star Wars«-Reihe mit den Worten »Das Imperium schlägt zurück.«
Christian hat eine typisch narzisstische Persönlichkeit: Er glaubt anderen Menschen in vielen Bereichen überlegen zu sein. Wenn er sich gekränkt fühlt, kann er sein Gegenüber mit gezielten Worten verletzen oder zumindest verunsichern. Aus seiner Kindheit weiß er, wie verwundbar man durch die eigenen Schwächen wird. Deshalb kann er dies inzwischen auch sehr gut gegen andere verwenden: »Nichts ist verletzender als eine Wahrheit, die man nicht hören will.«
Kontrollverlust um jeden Preis verhindern
Ebenso wie Alexander hat auch Christian einige Erfahrung im Kampfsport. Er erlernte über mehrere Jahre sogar mehrere unterschiedliche Kampfsporttechniken. Dass beide dieses Hobby betreiben, hat auch damit zu tun, dass es ein gewisses »Machtgefühl« mit sich bringt. Gleichzeitig ist es ein Mittel, um sich effektiv gegen Angriffe zu wehren und auch in brenzligen Situationen die Kontrolle zu behalten.
Christian lässt auf keinen Fall zu, dass jemand Macht über ihn hat. Gewinnt er den Eindruck, jemand wolle ihn auch nur im Entferntesten unter Druck setzen, reagiert er darauf schnell »allergisch«. Umgekehrt macht es ihm sehr viel Spaß, andere Menschen dazu zu bringen zu tun, was er will. Dominant zu sein und Kontrolle auszuüben, ist für psychopathische Menschen sehr typisch.
Diese Eigenschaft war bei Christian schon in der Kindheit stark ausgeprägt. Als er ungefähr zwölf Jahre alt war, wollte ihm eine Krankenschwester Blut abnehmen. Dagegen hatte er schon immer eine tiefe Abneigung, da er selbst in dieser Sache nicht die Kontrolle abgeben wollte. Die Krankenschwester legte seinen Finger auf ihr Bein, damit er ihn ruhig hielt. Er zog aber den Arm im letzten Moment schnell weg, sodass sie sich ins Bein stach. Als er daraufhin mit ihr heftig zu diskutieren begann, mussten ihn mehrere Pfleger auf einem Bett fixieren, damit ihm Blut abgenommen werden konnte.
Monogamie hab ich nie für mich entdeckt
Ich frage Christian, ob ihm jemals aufgefallen ist, dass er seine Beziehungen zu anderen Menschen ungewöhnlich gestaltet. Nach längerem Überlegen antwortet er: »Also mir ist früh aufgefallen, dass ich Monogamie nicht so ganz für mich entdeckt hab.« Ich ergänze, dass dies schon ein Unterschied zu den meisten Menschen ist. Dazu sagt er: »Das ist meine sexuelle Vorliebe, gerne Frauen, die dies wollen, zu dominieren und ihnen Schmerzen zuzufügen, ja auch. Aber dass Monogamie nichts für mich ist, hab ich etwas später entdeckt als meine sexuelle Neigung. Zu dem Zeitpunkt war es aber nicht so schlimm, weil ich in verschiedenen Jugendgruppen aktiv war. Dort waren viele Mädchen, und alle lernten sich ganz locker kennen. Da war es nicht ungewöhnlich, mal miteinander zu kuscheln, was ich ganz nett fand. Weil alle in der Gruppe miteinander zu tun hatten, fiel es gar nicht so sehr auf, dass ich schon da nicht monogam war. Dort stellte ich fest, dass es einfach cooler ist, mit verschiedenen Mädchen zu kuscheln, anstatt immer nur mit derselben. Das fand da keiner ungewöhnlich.«
Ich frage ihn nach seinen ersten Beziehungen. »Die ersten Beziehungen waren keine wirklich tiefen Liebesbeziehungen«, sagt er. »Das war gegenseitig sehr unverbindlich. Ein Mädchen und ich hatten Bock aufeinander und Lust miteinander. Wir entdeckten uns aneinander und dann schauten wir, mit wem man das sonst noch entdecken kann. Das Wort Beziehung hat da erstmal keiner in den Mund genommen. Dementsprechend war das alles gar nicht so schwierig und gar nicht so schlimm.«
Christian stellte in den folgenden zwanzig Jahren fest, dass er nicht nur keine monogame Beziehung führen möchte, sondern auch nicht führen kann. Er hatte vier feste Beziehungen; in dreien davon nahm er sich vor, nicht fremdzugehen. Doch schon nach wenigen Monaten merkte er, dass er das nicht aushielt. Er fühlte sich zunehmend unwohl und spielte mit dem Gedanken, sich zu trennen. Erst wenn er nebenher andere
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