Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
Vom Netzwerk:
Sexpartnerinnen hatte, war er auch mit seiner festen Beziehung wieder zufriedener. Ebenso erträgt er es nicht, zu viel Zeit mit einer Partnerin zu verbringen. Er sagt, mehr als drei Tage pro Woche mit derselben Frau hält er auf Dauer nicht aus.
    Seine mit Abstand längste Partnerschaft hielt deshalb, weil die damalige Freundin mit einer für beide »offenen Beziehung« sehr gut leben konnte. Heimlich fremdzugehen war also nicht notwendig. Außerdem war es eine Wochenendbeziehung, sodass Christian ausreichend Zeit für sich selbst hatte. Diese Art, mit Beziehungen und Sex umzugehen, ist – wie Sie inzwischen wissen – sehr typisch für psychopathische Menschen. Doch bitte vergessen Sie nicht: Ein Merkmal allein macht keinen Psychopathen aus, manche nicht-psychopathische Menschen gestalten ihr Liebesleben ähnlich. Aus psychologischer Sicht haben Menschen, die dauerhaft so leben – egal ob psychopathisch oder nicht –, einen Grund dafür. Der ist vielen von ihnen aber gar nicht oder nicht im vollen Umfang bewusst.
    Die Nähe-Allergie
    Stellen Sie sich vor, Sie spazieren im Urlaub durch ein schönes, unbewohntes Tal. Es ist Frühling, die Sonne scheint und alles blüht. Sie sind schon länger unterwegs und etwas erschöpft. Deshalb halten Sie Ausschau nach einem geeigneten, schattigen Platz, um eine Pause einzulegen. Da sehen Sie mitten auf einer Wiese einen großen, blühenden Kirschbaum. Das kommt ihnen gerade recht, denn der Baum spendet Schatten und sieht auch noch schön aus.
    Gutgelaunt spazieren Sie also auf den Baum zu. Doch je näher Sie kommen, umso unwohler fühlen Sie sich. Ihre Augen fangen an zu jucken und zu tränen, Ihre Nase kribbelt, Ihr Hals kratzt, das Schlucken fällt Ihnen schwerer und es wird immer schwieriger für Sie, zu atmen. Was tun Sie?
    Sie setzen sich sicher nicht unter den Baum. Stattdessen werden Sie schleunigst umkehren und in die entgegengesetzte Richtung gehen. Nach einigen Schritten merken Sie erleichtert, dass es Ihnen zunehmend besser geht. Irgendwann haben Sie gar keine Beschwerden mehr. Sie finden den Baum nach diesem Erlebnis aber nicht weniger schön als vorher. Daher legen Sie Ihre Pause genau so weit entfernt vom Baum ein, dass Sie sich einerseits wohlfühlen, ihn andererseits aber noch gut betrachten können.
    Vielleicht ahnen Sie schon, was ich mit dieser kurzen Geschichte erklären möchte. Die meisten normalen Menschen sehnen sich nach einer dauerhaften, stabilen, treuen Liebesbeziehung und möchten auch irgendwann mit ihrem Partner zusammenleben. Alle Menschen haben von Geburt an das Grundbedürfnis, sich emotional zu binden, einem Menschen zu vertrauen und sich bedingungslos auf ihn zu verlassen. Kinder bauen zuerst eine Verbindung zu ihren Eltern auf, danach zu Geschwistern und anderen Verwandten, später auch zu Freunden. Wenn alles gut läuft, dann binden sich Erwachsene früher oder später an einen festen Lebenspartner.
    Leider läuft es oft genug nicht so ideal. Manche Eltern vernachlässigen ihr Kind, andere sind zu streng und überfordern es mit unangemessenen Erwartungen. Dann fühlt sich das Kind im Stich gelassen und verletzt. Wenn ein Kind – warum auch immer – von Gleichaltrigen gehänselt wird und diese ihm das Gefühl geben, minderwertig zu sein und nicht wirklich dazuzugehören, kann das ähnliche Folgen haben. Einige Kinder, die so etwas über längere Zeit erleben, misstrauen irgendwann grundsätzlich allen Menschen und halten sie auf Abstand. Damit vermeiden sie weitere emotionale Verletzungen.
    Das Gehirn eines solchen Kindes entwickelt eine »allergische Reaktion«, die immer dann ausgelöst wird, wenn ein anderer Mensch ihm zu nahe kommt. Es fühlt sich dann zunehmend unwohl, eingeengt und genervt. Der Erwachsene entwickelt dann die Einstellung, dass er niemanden wirklich dauerhaft braucht und sehr gut mit sich alleine klarkommt. Partnerschaften empfindet er schnell als unangenehm; er entdeckt immer mehr Eigenschaften am Partner, die ihn stören.
    Aus psychologischer Sicht sind diese Gefühle nichts anderes als die Symptome einer starken Allergie: Sobald ein solcher Mensch einem Beziehungspartner gefühlsmäßig zu nahe kommt, schaltet sein Gehirn die »allergische Reaktion« ein. Dann fühlt er sich immer unzufriedener, schlechter und denkt darüber nach, sich zu trennen. Viele solche Menschen gehen dann fremd. Dadurch fühlen sie sich besser und kommen auch mit ihrer Beziehung wieder besser zurecht.
    Die »Nähe-Allergie« wird immer

Weitere Kostenlose Bücher