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Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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uns auch nur etwas einbilden«, meinte ich. »Wir wissen nicht, ob der Ranreeb wirklich eine Reinigung durchführen will.«
    Die alten Finger, die eben noch geschickt ihre Aufgaben erfüllt hatten, fingen plötzlich an, ungeschickt zu fummeln.
    Es ging nur um diesen einen Satz, vage und gleichzeitig so bedrohlich. Trefft umgehend Vorsorge für die Ankunft des Tempels und eine Untersuchung durch eine Heerschar.
    Warum die Revisoren, wenn es keine Säuberung geben würde? Warum der Ranreeb, wenn auch ein einfacher Drachenjünger eine Untersuchung durchführen konnte?
    Gelbgesicht brach das Schweigen. Sie wetzte gerade eine Machete, und ihr rhythmisches Schaben war beinahe eine Stunde lang ununterbrochen zu hören gewesen. Die Klinge der Waffe würde bald zu fein sein, zu dünn, um sie überhaupt noch benutzen zu können.
    »Trinkt niemals aus stehenden Gewässern«, sagte sie. »Untersucht das Baby jeden Morgen und Abend auf Blutegel. Und entzündet jede Nacht ein Feuer, um die wilden Tiere abzuhalten. Aber sorgt dafür, dass es nicht qualmt.«
    Schweigen, bis auf das Schaben des Wetzsteins an der viel zu scharfen Klinge.
    »Wenn wir nur mehr Zeit hätten«, flüsterte Nnp-trn.
    Als wäre es ein Signal gewesen, begannen die Onai von Tieron zu weinen.
     
    Mitten in der Nacht stolperten wir sechs Onai blindlings durch den Nebel, der feucht und schwer an unseren Hälsen entlangwehte. Er wollte nicht weichen für uns, weigerte sich, unsere Gegenwart auch nur durch einen leichten Wirbel in unserem Gefolge wahrzunehmen. Der feuchte Dunst hing unbeweglich und undurchdringlich in der Luft.
    Wir marschierten im Gänsemarsch, Gelbgesicht voran. Ihr folgten Urd-ren, Atl-eri, Nnp-trn, Nae-ser. Und ich.
    Ohne dass ihre Stimme bebte oder auch nur ein Muskel in ihrer Miene zuckte, hatte Gelbgesicht vor wenigen Augenblicken auf dem Dachboden verkündet, dass wir sechs allein die Anbetung für alle anderen ableisten würden.
    »Arbeitet ihr weiter«, befahl sie den Onai, die immer noch nähten.
    Und wenn es einen Satz gab, der Gelbgesicht dem Tod durch das Beil eines Revisors hätte überantworten können, dann war es der, den sie danach aussprach. »Euer Nähen ist wichtiger.«
    Die Kleidung, die niemals getragen werden würde, sollte wichtiger sein, als die göttlichen Kuneus zu ehren, die sich in unserer Obhut befanden? Wie sich die Schwerpunkte verschoben, wenn man sich von aller Heuchelei befreite.
    So stolperten wir sechs blindlings durch den nach Kupfer riechenden Nebel. Die Erwartung ließ mein Blut rasen, singen, trieb mir Schauer über den Nacken, ließ meine Finger zittern. Ich hatte bereits entschieden, was ich tun würde, ich wollte es und verabscheute diesen Wunsch zugleich. Ich hatte Gelbgesicht noch nicht über meine Absichten in Kenntnis gesetzt. Dafür war ich nicht mutig genug. Ich hatte mir nichts weiter vorgestellt, als den heißen Atem an meinen Schenkeln, die gegabelte Zunge, die zwischen meine Knie gleiten würde.
    Plötzlich erhob sich die Rotunde vor uns aus dem Nebel, kaum eine Armlänge entfernt. Bevor sie sich durch den primitiven Eingang duckte, blieb Gelbgesicht stehen und drehte sich zu uns herum. Wir scharten uns um sie, hager und mit roten Wangen.
    »Zar-shi wird Ka halten, wenn ich mich als Letzte niederlege. Es gibt heute keine Nachtwache. Wir brauchen unsere Kraft für den morgigen Tag.«
    »Das haben wir uns bereits gedacht«, erwiderte Atl-eri, und albernerweise lächelten wir alle. Plötzlich wirkte Atl-eri nur halb so alt, wie sie tatsächlich an Jahren zählte. Etwa so alt wie meine Mutter, als sie starb.
    Wir gingen zuerst zu Lutche, und meine Zähne klapperten, als ich mühsam versuchte, den Maulstock in eine seiner Nüstern zu schieben. Nnp-trn stand mir gegenüber, den Stock in der Hand.
    »Wir haben seine Krallen bereits eine Weile nicht mehr gekappt«, erklärte sie.
    Gelbgesicht hielt inne und sah uns der Reihe nach an.
    »Will irgendjemand zurücktreten?«, fragte sie. Keine von uns antwortete.
    Gelbgesicht hatte tagsüber einen Gifttrank zubereitet, heimlich; diesmal wurde er nicht in einem feinen silbernen Kelch gereicht, sondern in einem primitiven Trinkkürbis. Wir alle tranken, leerten ihn bis auf den letzten Tropfen, ich ebenfalls, und obwohl ich die Djimbi-Gesänge nicht kannte, welche die Frauen dann anstimmten, summte ich mit, sofort berauscht von der Magie.
    Mithilfe der anderen legte sich Nae-ser als Erste vor Lutche, so würdevoll, wie eine betagte Aristokratin sich auf

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