Auf Dunklen Schwingen Drachen1
mich hindurchstarrte.
Klugheit lag in diesem Blick. Oh ja. Was auch immer ich hatte glauben müssen, um diese unmenschliche Gefangenschaft dieser alten Bullen zu akzeptieren, jetzt wusste ich es besser. Die Drachen verstanden.
Lutche blinzelte, das faltige, zitronengelb und purpurn gemusterte Lid schloss sich langsam und klappte dann ebenso langsam wieder auf. Er zog die Schnauze über meine Knie zurück, und wieder raspelten seine harten Schuppen über meine zarte Haut. Er blähte die Nüstern, die glatt und glänzend waren wie poliertes Mahagoni.
Die gegabelte Spitze seiner Zunge zuckte hervor, zitternd, schmeckte die Luft, glitt über meinen Bauch und ließ eine nasse, giftdurchtränkte Spur auf meiner Haut zurück. Sie war nicht warm, diese Zunge, und auch nicht kalt. Sie fühlte sich an wie ein Atemzug, der eben ausgestoßen worden war und eine Erinnerung an Wärme mit sich trug, aber dennoch so kühl und seidig war wie der Stängel einer Orchidee. Das Gift auf meinem Bauch ließ mein Verlangen pochen, anschwellen, bis zu einem süßen, beinahe unerträglichen Höhepunkt.
Erneut brüllte Lutche. Ich konnte in seinen Hals hineinblicken, sah die roten, feuchten Muskelstränge vibrieren. Der obere Rand einer seiner Krallen traf mich, und es lag so viel Kraft in diesem unabsichtlichen Stoß, in dieser unkontrollierten Bewegung, dass die Kralle meine Rippen quetschte und meinen ganzen Körper ein Stück zur Seite schob.
In meinen Ohren dröhnte erneut Lutches heiseres Brüllen.
Er holte tief Luft, so tief, dass die runzligen Halslappen an seiner Kehle sich aufblähten. Dann schoss seine Zunge heraus, dick, sicher, ein gerippter, suchender Muskel, und mit unfehlbarer Sicherheit drang die gegabelte Spitze in mich ein.
Es war ein wundervoller Schmerz, ein blendendes Brennen.
Ich schrie, bog mich zurück.
Und dann …
… fühlte ich den Strom von Gift in meinem Blut, eine Flutwelle von Feuer, die versengte, wogte, sich hob und durch meinen ganzen Körper lief. Ich wollte fliehen, wollte entflammen, wollte vor Göttlichkeit und Macht und Freude platzen.
Und dann …
… hörte ich das Wispern.
Die Erinnerung an Stimmen, fremd, unverständlich und wundervoll in ihrer Macht. Bilder zuckten durch meinen Verstand, aber zu verschwommen, nur dunstige Farben. Dieses Wispern wie aus einer anderen Welt, diese verschleierten Bilder, das waren die Gedanken des Drachen.
Uralte Erinnerungen waren es, die aus einer Zeit stammten, bevor es Menschen gab, und weitergegeben wurden, wenn ein Drachenbulle eine Drachenkuh bestieg, wenn eine Brutdrachenkuh Nahrung wiederkäute, um sie ihrem Drachenjungen zu geben. Irgendwie wurden während des Austauschs von Samen und Speichel diese uralten Erinnerungen von Generation zu Generation weitergegeben, von Drache zu Drache.
Und ich, ich war beinahe eingeweiht, beinahe.
Wenn ich nur höher fliegen könnte, wenn ich nur diese Gedanken verstehen, diese Erinnerungen sehen könnte, dann würde ich wirklich eins mit dem Drachen werden. Ich wäre eins, zum ersten Mal in meinem Leben.
»Mehr!«, schrie ich, während ich von Ekstase geschüttelt wurde wie ein Blatt in einer Windbö.
Doch Atl-eri zog Lutche zurück.
»Nein!«, keuchte ich.
Verstand sie denn nicht? Ich wollte ihn, ich brauchte ihn, und er, er brauchte mich. Ich konnte ihn fast reden hören, bei jedem erregten Schnauben, seine Worte vergraben in seinem Drachenodem; wenn ich nur die Luft anhielt, wenn ich das Rasen meines Pulses und das Pochen meines Herzens lange genug zum Schweigen bringen konnte, dann würde ich dieses geheimnisvolle, dieses göttliche Wispern verstehen können, das so bezwingend war, so verlockend. Vielleicht vermochte ich dann mit dem Göttlichen zu reden …
Meine Hände versuchten, die Drachenzunge zu ersetzen.
Obwohl meine Finger so süß hinein-und hinausglitten, konnten meine Hände diese mächtige Vereinigung, die ich erlebt hatte, das Wispern der Drachenstimme, die ich fast, beinahe verstanden hatte, nicht reproduzieren.
Langsam, ganz langsam erstarb diese grandiose Flamme in mir, fiel zu einer schwelenden Glut zusammen. Meine Hände kamen zur Ruhe.
Ich weinte, vollkommen verloren, beraubt. Gelbgesicht kauerte neben meinem Kopf.
»Jetzt also verstehst du«, sagte sie, und in ihren weisen, alten Augen schimmerte der Kummer der ganzen Welt.
22
K iz-dan und ich verließen Tieron Nask Cinai noch vor Sonnenaufgang. Ihr Baby hatte die Augen weit aufgerissen und kaute auf dem Tuch herum, in dem
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