Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
Vom Netzwerk:
Betäubung, angeekelt von den Trümmern, und doch von dem verzweifelten Wunsch getrieben, sie nicht mehr sehen zu müssen.
    Ich sehnte mich nach meiner Mutter, in jedem einzelnen schrecklichen Moment dieses Tages. Oder nach Waisi oder sogar … ja, nach einem Blick auf Vater, ganz gleich, wie Furcht einflößend und aufgebracht er gestern Nacht ausgesehen hatte. Zum ersten Mal in meinem Leben, und obwohl ich von denen umringt war, unter denen ich seit meiner Geburt aufgewachsen war, hatte ich das Bedürfnis, von jemandem aus meiner engsten Familie gehalten zu werden. Mutter, Vater oder Waisi.
    Aber sie waren nirgendwo zu sehen, und keiner wollte meine tränenreichen Fragen, wo sie steckten, beantworten.
    Gegen Mittag machte Großvater Maxmisha eine verspätete Proklamation. Der Töpferclan würde jeden Winkel in den Hütten der Männer nach vielleicht verlegtem Geldpapier durchsuchen. Sollte etwas gefunden werden, würden unsere Männer von den Nachbarclans Nahrungsmittel kaufen, mit denen wir die nächsten acht Tage überstehen konnten.
    Ich sah Korshans Limia erklärungsheischend an, denn dieses Geldpapier durften nur Männer besitzen, und da nur Männer das Heim eines Mannes betreten durften, was meinte Großvater dann damit, dass sich alle an der Suche beteiligen sollten? Aber die Röte in ihren Wangen und der glasige Ausdruck in ihren Augen baten mich, den Mund zu halten.
    Wundersamerweise wurde sogar recht viel Geldpapier gefunden; erst Tage später sollte ich begreifen, was dieses Wunder bedeutete: nämlich dass die Männer vom Töpferclan weit listiger und weit weniger fromm waren, als ich geglaubt hatte. Eine Gruppe von ihnen machte sich auf, Nahrungsmittel von unseren Nachbarn zu erwerben.
    Am Abend kehrten sie mit bemerkenswert wenig Lebensmitteln zurück.
    Da unsere Nachbarn von unserer Notlage wussten und sich ebenso bewusst waren, dass wir ein Vermögen zu erwarten hatten, hatten sie kurzerhand den Preis ihrer Nahrungsmittel, einschließlich derer, die sie uns weggenommen hatten, fünfmal höher angesetzt, als sie eigentlich wert waren. Deshalb reichten diese Lebensmittel nur für zwei Tage, und wir hatten nichts anderes Wertvolles zum Eintauschen.
    Mutter war immer noch nicht wieder aufgetaucht.
    Allerdings fand ich Vater. Ich traf ihn, als er aus einer Latrine kam und seinen schmutzigen Lendenschurz hochzog. Seine Miene war seltsam, als hätte ich ihn beim Diebstahl von Tempelöl erwischt. Wir starrten uns einige Herzschläge lang an, dann konnte ich mich nicht länger zurückhalten. So bizarr ein solches Verhalten auch für Tochter und Vater war, ich stürzte mich auf ihn und klammerte mich an seine Taille.
    Er stank nach Maska-Geist, seine Haut war ölig und ranzig. Er tätschelte mir verlegen den Kopf und versuchte, sich aus meiner Umarmung zu befreien. Als er jedoch bemerkte, dass uns niemand beobachtete, hockte er sich zu mir hin und redete freundlich mit mir.
    »Na, na, Zarq, kein Grund, den Boden mit deinen unreinen Tränen zu beschmutzen, hm?«
    »Aber Mutter ist verschwunden!«
    »Tatsächlich?« Seine braunen, normalerweise so schönen Augen, waren blutunterlaufen und von vielen Runzeln umringt. Sein Blick richtete sich in die Ferne. Kurz darauf vertrieb er den Bann mit einem Kopfschütteln, als hätte er mit jemandem gestritten und verloren. Er räusperte sich. »Es ist deine Pflicht, hier schweigend auf sie zu warten. Das ist das Angemessene.«
    »Aber wo ist sie?«
    »Halt deine Zunge im Zaum, Zarq, heho? Du stellst zu viele Fragen. Ich bin sicher, dass sie irgendwo in der Nähe ist – du hast sie nur noch nicht gefunden, das ist alles. Vermutlich ist sie dabei, mit den anderen Frauen aufzuräumen.« Er streichelte mir ungelenk über die Wangen, eine untypische Geste für einen Mann.
    »Aber …«
    »Sieh mal, was ich gefunden habe.« Er zauberte hinter meinem Ohr einen Streifen Renimgar-Dörrfleisch hervor. Jetzt bemerkte ich unter dem sauren Gestank seines nach Maska riechenden Atems auch das ölige Aroma des Fleisches. Mir lief der Speichel im Mund zusammen. Er drückte mir das Fleisch in die Hand. »Iss es auf, es ist alles für dich. Gut. Und jetzt lauf, heho?«
    Er stand auf, tätschelte noch einmal meinen Kopf und ging.
    Ich verschlang gierig das Fleisch, war jedoch klug genug, danach eine bittere Wurzel zu kauen, um den Geruch zu verdecken. Trotzdem gehorchte ich Vater nicht, sondern fragte, als das Zwielicht aufstieg, alle, ob sie meine Mutter gesehen hatten. Keine der Frauen

Weitere Kostenlose Bücher