Auf Dunklen Schwingen Drachen1
direkt über mir. Ich schlug heftig mit den Händen durch die Luft, was mir eine Ohrfeige von Groß Grum Grums Li einbrachte. Sie sah mich an, die schuppigen Brauen zusammengezogen, spitzte die Lippen und … pfuuit!
»Ha!«, hauchte ich bewundernd. Das war wirklich eine Begabung.
Sie zuckte mit einer ihrer dichten Brauen und drehte sich um.
Dann jedoch bewegte sich tatsächlich etwas am Dschungelrand, unscharf und träge. Ein gigantischer Kwano - Geist! Ich versuchte, einen Warnschrei auszustoßen, brachte jedoch nur ein Krächzen zustande – zum Glück. Denn nur wenige Herzschläge später wurde mir klar, dass es meine Mutter war, die sich stolpernd einen Weg zwischen Schlingpflanzen und glitschigen Palmen und über gewaltige Stützwurzeln von Bäumen suchte.
Ich warf mich auf sie. Sie fing mich auf, als wäre ich ein Baby. Ich brach in Tränen aus und hämmerte dann wütend mit den Fäusten auf sie ein.
»Sei still, Zarq. Ich musste dich allein lassen. Es ist ja nichts passiert.«
»Sie wird die Ledergerber wecken! Halt den Mund, Tu-pu!«, fauchte Kropfmutter. Sie nannte mich eine Göre, als wäre sie Waisi. »Wir hätten sie nicht mitbringen sollen!«
»Besser, sie macht den Lärm am Rand des Dschungels als im Frauenhaus!«, gab Car Manopus Wasaltooltic trocken zurück.
»Zarq, hör zu!« Mutter setzte mich auf den Boden. »Hörst du?«
»Du hättest mich nicht allein lassen sollen!«
»Ich habe dir gesagt, dass ich zurückkomme. Und jetzt hast du genug Lärm gemacht, gut?«
Ich wischte mir den Schnodder mit dem Arm ab, holte bebend Luft und nickte kurz.
»Gut.« Dann sprach sie über meinen Kopf hinweg mit den anderen. »Wir bilden eine Kette und reichen alles so weiter, einverstanden? Das verringert das Risiko, auf etwas Unangenehmes zu treten.«
Die Frauen murmelten zustimmend.
»Aber macht schnell«, sagte Mutter, als sie wieder in den Dschungel zurückging. »Irgendetwas schleicht hier herum.«
Wir keuchten entsetzt, allesamt.
»Eine Raubkatze?«, hauchte Tak.
»Was für ein stinkender Nachgeburtsmist!«, fluchte Kropfmutter. »Kommt, los, bewegt euch, damit wir hier wegkommen!«
Sie wollten mich an das sicherere Ende der Reihe stellen, neben den Mauern der Ledergerber, aber ich weigerte mich. Ich wollte Mutter nicht mehr aus den Augen lassen. Da ihnen klar wurde, dass ich nicht nachgeben würde, lenkten sie ein, und danach schufteten wir im Schweiß unseres Angesichts die ganze Nacht. Mutter verschwand immer wieder im pechschwarzen Dschungel und kam jedes Mal mit einer schweren Packurne zurück, von den breitrandigen, in denen Palmöl verwahrt wurde.
Mutter kam auf mich zu, zischte mich an, mit dem Kratzen aufzuhören, drückte mir eine Urne in die Arme, und dann ging ich ein paar Schritte weiter über zertretenes Blattwerk und drückte meine Last Korshans Limia in die Hände, während Mutter die nächste Urne holte. Dabei bedienten sich Tausende geflügelter kleiner bissiger Wesen an meinen bloßen Ohren, meinem Hals, an Armen und Beinen.
»Hör auf zu kratzen!«, zischte Limia mich an, drehte sich herum und schwankte zu Tak hinüber, die ein paar Schritte entfernt wartete.
Eine, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben Urnen …
»Wie viele noch?«, jammerte ich. Meine Arme fühlten sich wie zu kurz gegartes Paak an, und mir zitterten die Beine.
»Nur Mut«, knurrte Mutter.
Ihre nächste Last war keine Urne, sondern ein schwerer Lehmblock, der in feuchtes Leder gewickelt war. Den konnte sie kaum tragen, geschweige denn ich. Die Frauen arbeiteten danach zu zweit und schleppten die riesigen Lehmblöcke aus Mutters Versteck im Dschungel. Ich war gnädigerweise von der Arbeit ausgenommen.
Schließlich waren sie fertig.
»Können wir eine aufmachen, bitte?«, bettelte ich und sah sehnsüchtig zu den Ölurnen hinüber, als wir uns an eine Wand lehnten, uns Spuckfrosch-Speichel von den Waden kratzten und Schleim von den Sohlen schlugen.
Die anderen sahen sich vielsagend an. Mutters Gesicht verwandelte sich im Sternenschein in eine traurige Clackron-Maske. »Es sind keine Nahrungsmittel darin, Zarq.«
»Keine?« Ich konnte es nicht fassen. »Gar keine? Ihr habt kein Essen versteckt?«
»Essen, pah!« Kropfmutter spie aus. »Pigmente und Glasuren, Lehm und Blattgold, Werkzeuge und Siebe. Dinge, ohne die wir nicht leben können, das haben wir versteckt.«
»Aber wir brauchen etwas zu essen!« Ich fühlte mich irgendwie betrogen, dass Mutter ihr Leben im Dschungel riskiert hatte, nur um
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