Auf Dunklen Schwingen Drachen1
Karren stiegen, die uns zum Lager zurücktransportierten, starrte sie ungläubig auf das Geldpapier, das ich ihr gab. Auch wenn sie es nie laut äußerte, sprachen ihre Augen Bände: Ist das alles?
Die Tage, als sie das Geldpapier lächelnd in ihrer geheimen Tasche verstaute, waren lange vorbei.
Ich wollte Mutter wieder zum Lächeln bringen, wollte mich würdig fühlen. Es verlangte mich so verzweifelt danach, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, dass sie mich wenigstens bemerkte und nicht nur auf das Geldpapier starrte, das ich ihr gab.
Bitte, Mutter, ich bin hier, direkt vor dir. Sieh mich an.
Ich hätte es niemals für möglich gehalten, mich selbst vom Anblick einer tödlichen grünen Baumviper, die nur eine Handbreit von meinem Gesicht in einem Strauch hing, nicht erschüttern zu lassen. Ich hätte nie erwartet, dass die Schreie eines verängstigten Pflückers oder das folgende Kreischen erschreckter Vögel, die sich wie eine Wolke in die Luft erhoben, keine Reaktion in mir hervorrufen würden. Und doch geschah genau dies. Ich erstarrte, wurde so hölzern wie der Ast, auf den ich kletterte; ich lebte noch, gewiss, aber ich war unbeweglich bis ins Mark.
Verzweiflung im Verein mit Erschöpfung kann so etwas in einem Menschen bewirken. Furcht wird ein Luxus.
Vergesst nicht, meine Mutter war immer liebevoll gewesen, weich und geduldig. Lächelte schnell und machte gern Scherze. Sie griff eher zu Kompromissen und Ermunterungen als zu Befehlen und Schlägen. Ich kannte meinen Platz in der Welt, durch sie, und fühlte mich sicher.
Jetzt war das nicht mehr so.
Jetzt hatte ich nur noch die Möglichkeit, solche mütterliche Zuwendung zu erfahren, den Hauch dieser Sicherheit zu verspüren, wenn ich ihr das Geldpapier aushändigte.
Während die acht Tage unseres Aufenthaltes zu sechs zusammenschmolzen, zu vier und dann zu zwei, schwand die Möglichkeit, Zuneigung zu erlangen, vollkommen.
Wir lagen wieder unter den Sesalbüschen, in der glühenden Mittagshitze. Pausen waren eine Qual für mich, weil es mich so viel Mühe kostete, meinen schmerzenden Körper wieder in Gang zu bringen. Also saß ich an diesem vorletzten Tag auf den Feldern nicht bei den Leuten unseres Clans, sondern blieb stehen, während ich den scharfen Saft aus einer Terimelone saugte, die ich gefunden hatte, und das süße Fleisch hinunterwürgte.
Als ich fertig gegessen hatte, warf ich die Schale weg. Dann hob ich zwei leere Jutebeutel hoch und schlang sie mir über je eine Schulter. Ich näherte mich hölzern dem Sesalbusch neben dem, von dem ich gerade das gesamte Drachenfutter gepflückt hatte.
»Was machst du da, Zarq?«, fragte jemand hinter mir.
Blutonkel Rudik.
Ich drehte mich langsam um und starrte ihn verständnislos an. Die anderen beobachteten mich von dort, wo sie auf dem Boden lagen. Ihre Gesichter waren von der glühenden Hitze geschwollen und gerötet.
»Pflücken«, murmelte ich. »Ich pflücke.«
»Ruh dich eine Weile aus. Wir reisen übermorgen ab. Unnötig, dass du jetzt noch so hart schuftest.« Nicht Freundlichkeit veranlasste ihn, mich zurückzurufen, sondern Gekränktheit, dass ein junges Mädchen sich in einer derartig unerträglichen Hitze zu solchen Leistungen treiben konnte, während Männer wie er es nicht vermochten.
Ich warf Mutter einen verstohlenen Blick zu. Ihre stählernen Augen bohrten sich in meine. Das Blut aus ihrer Nase tropfte langsam und regelmäßig.
»Ich bin nicht müde«, erwiderte ich undeutlich.
Onkel Rudik runzelte die Stirn. »Du widersprichst mir? Du bist krank vor Erschöpfung. Ich befehle dir, dich auszuruhen.«
»Entschuldigung. Jawohl.«
Ich lehnte mich an den buschigen Baum, den ich eben noch hatte besteigen wollen, schloss die Augen und tat, als ruhte ich.
Doch ich fühlte, wie Mutters Anspannung wie eine Gewitterwolke wuchs.
Nur noch zwei Tage, Zarq. Nur zwei Tage! Wenn du schnell genug pflückst, die Mittagspause durcharbeitest, dann haben wir vielleicht genug. Versuch es für mich, versuch es: Wir sind ganz kurz davor!
Sie hatte mir die Worte gestern Nacht zugezischt, vor dem Einschlafen. Als wir heute Morgen aufstanden, zischte sie sie erneut. Und jetzt, selbst in diesem Moment, hörte ich sie in meinem Kopf.
Ich schlug die Augen auf. Ich hatte Onkel Rudik gehorcht, hatte geruht. Zeit zu pflücken.
Ich drehte mich um, packte einen Ast mit gekrümmten, schwieligen Fingern und wollte mich hinaufschwingen.
»Halt!«
Der Befehl hielt mich zurück.
»Was machst du, Kind?«
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