Auf Dunklen Schwingen Drachen1
Mutters Gegenwart die Stimmen zu heben. Jetzt erfüllten keine anzüglichen Scherze, keine schönen Lieder und kein freundlicher Tratsch mehr den Töpferschuppen der Frauen.
Zeit meines Lebens hat mich das rhythmische Klopfen von Lehm begleitet, der auf dem Tisch geknetet wurde. Das hallende Klopfen war der Herzschlag unseres Clans. Damit war es vorbei. Wir kneteten keinen Lehm mehr, weil die Skop - Perlen nur Lehmschlamm brauchten, was auch ganz gut war, weil wir nur wenig Lehm hatten. Aber ich fürchtete, dass es einen unregelmäßigen Rhythmus, einen disharmonischen Klang geben würde, falls wir wieder zu kneten begannen. Wie der Herzschlag eines Sterbenden.
Schließlich sickerte unser Geheimnis zu den anderen durch. Was selbstverständlich war. Wenn Frauen unter demselben Dach schlafen wie Kinder, stillende Mütter und Alte, die einen leichten Schlaf haben, können sie sich nicht jede Nacht hinausschleichen, ohne dass irgendjemand Verdacht schöpft.
Unser Kreis der Ränke wurde größer, ebenso die Menge an Urin, die wir sammelten. Dafür war ich ungeheuer dankbar. Ich wurde nur noch jede vierte Nacht geweckt, um mein schmutziges Wasser in die Skop-Urnen zu pinkeln.
Aber die Atmosphäre im Frauenhaus veränderte sich noch stärker. Die Frauen sahen ständig über ihre Schultern, schraken beim leisesten Geräusch zusammen, ließen Dinge fallen und fuhren ihre Kinder unaufhörlich an. Die Angst wurde ein ständiger, unerwünschter Gast. Urin musste gesammelt werden. Er machte erst den Skop - Schmuck. Dieser Schmuck ernährte uns. Also musste das schändliche, böse Geheimnis vor den Männern bewahrt werden.
Wir konnten nicht genug Skop-Schmuck herstellen. Es war, als wäre ein Modefeuer durch unsere Zone gefegt und auf die nächste übergesprungen. Eier füllten wieder unsere Keller, und Fass um Fass von gesalzenen Muay-Blättern und eingelegten Chilis stapelten sich in den angrenzenden Speisekammern.
Trotzdem war es keine einfache Zeit. Es war die Zeit der Nässe, die Regenzeit, und das Reet auf den Dächern, das nicht ersetzt worden war, wie sonst während der Zeit des Feuers üblich, leckte schrecklich. Außerdem hatten wir keinen Vorrat an Feuerholz, um uns durch die Zeit der Nässe zu bringen. Also mussten wir Dung, trockene Stämme und Macci - Blätter mit dem Geldpapier erwerben, mit dem wir eigentlich Tausende notwendiger Dinge hätten kaufen sollen: Salben und Medizin, Paak-Formen und Tonnen, warme Kleidung und dringend benötigte Moskitovorhänge. Das Feuerholz aufzustocken bekam sogar Vorrang davor, unsere Renimgar-Gehege neu zu bestücken, denn ohne Brennstoff konnte ein Töpfer keine Waren brennen. Ohne Fleisch jedoch konnte man überleben.
Deshalb dauerte es lange, bis Mutter endlich ihr Blattgold und ihre Silberketten bekam, damit sie schöne Halsketten für Aristokraten machen konnte.
Mittlerweile war die Zeit der Nässe fast vorüber. Großvater Maxmisha war gestorben. Der Töpferclan hatte noch ein Baby an das Moskitofieber verloren. Ich war ein in sich gekehrtes, einsames Kind geworden, das nicht einmal wagte, allein die Latrinen zu besuchen, um nicht von älteren Kindern in die Enge getrieben und mit Stöcken verprügelt zu werden, wie es zweimal geschah. Und Mutters Besessenheit von Waivia war gewachsen, so wie ihr Schwangerenbauch.
Als Großvater Rudik sich schließlich herabließ, endlich die kostbaren Bayen - Materialien zu beschaffen, machte Mutter sich sofort an die Arbeit. Sie legte nur Pausen ein, wenn sie aß oder dem Ruf der Natur folgte. Ich blieb an ihrer Seite und schlief wieder auf dem Werktisch im Schuppen.
Die Halsringe und Diademe und Armbänder, die Mutter schuf, waren wirklich atemberaubend und elegant, so schön, dass Großvater Rudik persönlich durch den Schlamm und den Regen nach Iri Timadu Bayen Sor reiste, in die Zone der Höchst Vornehmen Aristokraten, um ihre Kunst auf dem dortigen Marktplatz feilzubieten.
Ein junger Bayen kaufte all ihren Schmuck, den ganzen auf einmal. Für eine ungeheure Menge Geldpapier.
Mutter fieberte förmlich vor Freude, als Großvater Rudik zurückkehrte. Ich glaubte, sie würde verlangen, dass er Waivia mit dem Gewinn freikaufte, und ich denke, der Rest unseres Clans nahm dasselbe an. An dem Abend saßen wir unter dem improvisierten Dach, das wir hastig über dem Hof errichtet hatten, wie es in der Zeit der Nässe üblich war. Wir alle warteten darauf, dass Mutter sich in einer weiteren, skandalösen Konfrontation mit unserem
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