Auf Dunklen Schwingen Drachen1
neuen Ku - Großvater, Blutonkel Rudik, demütigte.
Was sie auch tat.
Bemerkte nur ich, dass ihre Schreie weniger schrill waren, ihre Argumente weniger klug und ihre Erwiderungen weniger spitz als in den letzten Monaten? Oder merkten auch andere, dass Vater Mutter diesmal weniger beschwichtigen musste und dass sie das Spektakel früher beendete als sonst?
Ich weiß es nicht.
Ebenso wenig weiß ich, ob ich die Einzige war, die ahnte, dass Mutter Duplikate dieser wunderschönen Bayen - Halsketten irgendwo versteckt hatte, prächtige Duplikate in roter Glasur, mit Blattgold überzogen. Aber ich habe oft gedacht, dass dies letztendlich zur Entdeckung unseres Geheimnisses durch die Männer führte, das Wissen, dass Mutter die Mittel hatte, Waivia zurückzukaufen, während keine andere Frau jemals ihre Tochter hatte zurückbekommen können, sobald diese dem Roidan Kasloo unterworfen worden war.
Allerdings fallen die Gründe für diese Entdeckung wenig ins Gewicht. Die Vergangenheit kann nicht geändert werden.
»Wir besuchen heute die Glasspinner«, flüsterte Mutter. Sie hatte den Mund dicht an mein Ohr gelegt, damit ihre Worte sonst niemanden weckten.
Mich aber weckten sie. Mein Herz hämmerte wie wild, als ich viel zu hastig aufwachte.
Mutter hatte meine Schlafmatte zusammengerollt und in ihrem Fach verstaut, bevor ich überhaupt aufgestanden war. Dann stand sie in der Tür des Frauenhauses und bedeutete mir mit Gesten, mich zu beeilen; eine hochschwangere Frau, die voller Ungeduld im Frühnebel wartete.
Zuerst statteten wir den Renimgar-Gehegen einen Besuch ab. Sie wirkten leer, bewohnt nur von einer Klauevoll brütender Paare. Die haarlosen, dickbäuchigen Kreaturen rührten sich und schnaubten aufgeregt, als wir uns näherten, doch dann kauerten sie sich wieder zu einem Knäuel zitternder Leiber zusammen, als sie merkten, dass keine Pfleger mit Nahrung ihre Käfige betraten. Mutter sah sich hastig um, was überflüssig war, denn wir waren ganz bestimmt die Einzigen, die um diese Zeit wach waren, schälte sich aus ihrem Bitoo, legte ihn mir über die Schultern, ging auf die Knie und hielt sich an den Pfählen des Stalles fest.
Ich fragte mich, wie sie wieder aufstehen wollte, denn ihr Bauch war riesig.
Mit viel Mühe und angestrengtem Knurren, nicht unähnlich dem der Renimgars, schob sie sich auf dem Rücken unter die Stallungen. Sie rollte sich auf die Seite, und ich hörte, wie sie mit den Händen Schmutz und alten Kot der Tiere wegscharrte.
Ihre Beine zitterten, als sie sich wieder unter den Stallungen herauszog. Sie musste innehalten, während sie nach Luft rang. Nackt, mit einem in Wachstuch eingeschlagenen Bündel, watschelte sie zu der Badeecke des Danku, hinter dem Ersten Garten, wo der Boden des mit Ziegeln abgetrennten, dachlosen Badehauses leicht abschüssig war, damit das Wasser vom Waschen zur Bewässerung in die Gärten lief.
»Wann hast du das vergraben?«, erkundigte ich mich, als sie sich mit kaltem Wasser den Schmutz und den Kot abwusch. Ich fragte nicht, was überhaupt in dem Bündel war, das sie mir in die Hand gedrückt hatte. Was ich fühlte, bestätigte meinen früheren Verdacht.
»Red jetzt nicht!«, erwiderte sie.
Sie flocht sich sorgfältig ihr langes, nasses Haar, während ihr vor Kälte eine Gänsehaut über den ganzen Körper lief. Ich beobachtete ihren Bauch, in dem mein Geschwisterkind sich bewegte. Eine Beule bildete sich über Mutters hervortretendem Nabel, vielleicht ein Knie oder ein Ellbogen; dann verschwand sie. Ich hoffte, dass es ein Mädchen würde. Ich brauchte eine Freundin.
Mutter rollte mit peinlichster Genauigkeit ihren Zopf auf ihrem Kopf zusammen und band ihn mit dem Lederriemen fest, den sie um ihr Handgelenk getragen hatte. Es war eine formelle Frisur, wie man sie nur bei großen Zeremonien trug. Sie hatte sich zuletzt so frisiert, als Vater und Blutonkel Rudik Großvater Maxmisha auf einer Bahre zum Tempel getragen hatten, damit er in den Gharial-Becken an die dort lebenden Tiere verfüttert wurde. Das war das Schicksal aller toten Rishi unserer Brutstätte: eine höchst ehrenvolle Bestattung. Für jeden Leichnam, den ein Clan dem Tempel zur Gharial-Bestattung brachte, wurde eine Kerbe in den Bestattungspfahl des Clans geschlagen. Am Ende des Jahres gab der Tempel dann jedem Clan, je nach Kerben, eine entsprechende Menge Gharial-Fleisch. Das fette, ölige Fleisch wurde als Eintopf serviert, den man Parfi Croidin nannte, Ahnenmahl.
Immer noch nackt,
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