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Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Auf Dunklen Schwingen Drachen1

Titel: Auf Dunklen Schwingen Drachen1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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mir das ein.
    »Hier habe ich sie begraben«, erklärte ich Mutter und deutete auf die Stelle, als hätte sie nicht die ganze Zeit neben mir gestanden. Sie nickte zerstreut.
    Ich wusch mir in einer der zahllosen Pfützen auf der Gasse die Hände, und wir setzten unseren Heimweg fort. Mittlerweile regnete es so stark, dass die Pfützen zu kochen schienen. Die Luft roch wie feuchter Lehm.
     
    Großvater Rudik schlug Mutter ins Gesicht. Vater hielt seine Hand beim zweiten Versuch fest, packte seine Fäuste mit seinen großen, weichen Händen und brüllte ihn an: »Sie ist schwanger!«
    Also schlug Großvater Rudik statt ihrer ihn. Immer und immer wieder schlug er zu, und Vater verteidigte sich nicht, denn hier im Hof, unter dem armseligen Dach, während des letzten großen Regens der Saison, erlaubte Vater unserem Clan, zu bezeugen, dass er seinen Schwur hielt, die Verantwortung für die Taten seiner erwählten Frau zu tragen.
    »Hör auf, Vater zu schlagen! Hör auf, meinen Vater zu schlagen!«, kreischte ich. Mutter hielt mich am zerrissenen Kragen meines Bitoos fest wie einen Hund am Halsband.
    Schließlich trat Großvater Rudik keuchend zurück. Vater konnte aus einem Auge nichts mehr sehen, sein linkes Ohr war grotesk angeschwollen. Er stand merkwürdig schief da. Offenbar war eine Rippe gebrochen.
    Unsere Männer marschierten ernst in das Töpferatelier der Männer. Vater humpelte als Letzter hinterher.
    Mutter verschwand im Frauenschuppen und begann wie von Sinnen Lehm zu kneten. Nach einer Weile folgten ihr die anderen Frauen. Kropfmutter sagte allen, sie würden Bodenfliesen herstellen. Sie gehorchten.
    Erst am späten Mittag wurde Essen gemacht. Mutter ging nicht in den Hof, um zu essen, und ich auch nicht. Noch später stellte Leishus Caan uns einen Napf kalten Yanichee und Körner auf den Tisch.
    Mutter und ich teilten das Essen, wenngleich sie mir das meiste überließ.
    Ich versuche mich oft zu erinnern, wie meine Mutter vor all diesen Vorfällen war. Ich versuche, Bilder zu beschwören, die ich mitteilen kann, Bilder, wie sie mich umarmte und ermunterte, mir gut zuredete und mich küsste, aber es kommt einfach kein spezielles Bild.
    Wie grausam, dass die Zeit mich dieser Erinnerungen beraubte, mir jedoch stattdessen die Bilder ließ, was aus ihr nach diesem verhassten Sa Gikiro wurde.
    Ist das alles, was uns am Ende bleibt? Nur Erinnerungen an das Schmerzlichste, Beschämendste und Hässlichste?
     
    Wir gingen in jener Nacht zur Paarungshütte. Dort erzählte Vater uns keuchend und nach männlichem Schweiß stinkend, dass der Tempel informiert werden musste, ja, dass er verständigt werden würde. Das gebot die Ehre.
    »Aber«, er stieß jedes Wort hervor, als würde es wie ein langer Dorn aus seinem Fleisch gezogen, »Großvater Rudik wird warten, bis mein Erster Sohn geboren ist.«
    »Warum?«, erkundigte sich Mutter.
    »Eine Gunst.«
    »Eine sehr bemerkenswerte Gunst.«
    Er sagte nichts weiter.
    »Wieso bist du so sicher, dass es ein Junge ist?«, wollte Mutter wissen. Aber ihr Ton war nicht kriegerisch, daher wurde mir klar, auch sie wusste, dass dieses Kind in ihrem Bauch ein Junge war.
    Wieder antwortete Vater nicht.
    Nach einer Weile sprach Mutter weiter.
    »Du warst gut zu mir, Danku Re Darquel.« Ihr Flüstern klang heiser. »Es tut mir leid …«
    Ihr brach die Stimme, und sie begann zu weinen. Vater rückte näher, zog sie ungelenk in seine Arme, obwohl ihn das angesichts der gebrochenen Rippe viel gekostet haben musste. Ich weinte auch, obwohl ich nicht genau wusste, warum. Er legte eine seiner glatten, haarlosen Hände, die so weich waren von all den Stunden im Lehm, auf meine borstigen Haare.
    So saßen wir in der Dunkelheit, wir drei, eine, wie mir schien, sehr lange Zeit. Bestimmt länger als eine Nacht. Zwei Nächte, einen Monat, ein Jahr, fast eine ganze Lebensspanne von Nächten.
    Wir saßen da, solange es dauerte, durch unsere Umarmung unser Leben als Familie loszulassen.
     
    Am nächsten Morgen droschen Mutter und ich die Featon - Garben, um die essbaren Körner von der Spreu zu trennen, arbeiteten so gleichförmig, als wäre nichts Widriges in unserem Leben geschehen. Als Car Manopus Wasaltooltic das Feuer nicht in Gang setzen konnte, half Mutter ihr. So normal verhielten wir uns. Mutter konnte immer alles in Flammen setzen, ganz gleich, wie grün oder nass es sein mochte.
    Wir saßen mit den anderen von unserem Clan im Hof, gaben unsere rituellen Antworten auf Großvater Rudiks

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