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Auf ein prima Klimakterium

Auf ein prima Klimakterium

Titel: Auf ein prima Klimakterium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Saegebrecht
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versenken, als sich, ausgelöst durch die chemischen Farbdämpfe, ein letzter Hustenanfall Bahn bricht und dem schmerzerfüllten Lungenflügel die Fluggenehmigung entzieht. Dieser Moment des Nicht-atmen-Könnens brennt sich für immer in meine Vita ein.
    Magnesium!, jagt es durch meinen Kopf und ich werde, bereits auf den Boden gesunken, in meiner Manteltasche fündig. Ein kräftiger Anteil des Beutels mit dem rettenden Pulver landet voll auf meiner Zunge und nach einem kurzen Moment, der mir endlos erscheint, beginnt der lädierte Lungenflügel, mit einem neuerlichen Hustenanfall nacheinander fünf eingekapselte Luftblasen freizugeben, die sich sogleich mit der Äther-Welt vereinigen, nicht ohne die Umgebung in eine stinkende Aerosol-Duftfahne zu tauchen. Der brennende Schmerz in der Lunge hat sich zusammen mit den fünf Luftikussen aus dem Staub gemacht. Plötzlich bin ich komplett schmerzfrei, wie nach der Geburt meiner Tochter, wenn das einsäumende hohe Fieber nicht wäre. Zitternd vor Kälte krieche ich auf allen Vieren ins warme Haus zurück, nur von einem Wunsch beseelt: mich in meine schützende, mütterliche Landcouch einzugraben und tröstenden Schlaf zu finden.

    O Gott, gerade stelle ich mir die ungläubigen Augen meiner Tochter vor, die mich aus der Vogelperspektive betrachten, da taucht das pfiffige Antlitz einer Ortsanwohnerin hinter dem Gartentor auf. Ein Kinn, das schon grüne Farbe sammelt, parkt auf einer Holzlatte, ein Blatt der Regenbogenpresse winkt schnippisch über den Zaun. »So, Frau Sägebrecht, jetzt haben Sie den Salat auf Ihre alten Tage, Sie leben nur noch von Ihrer mickrigen Rente, da steht’s drin, schwarz auf weiß! Und keine Arbeit mehr in Sichtweite, Sie Arme, Sie. Des haben S’ jetzt davon, weil Sie alles verteilen und verschenken, wissen S’, was ich das letzte Mal in da Kirche zu unserer Chorleiterin g’sagt hab: So wia de Frau Sägebrecht ois verteilt und in ihr’m Leb’n verteilt hod, des ist ja schon eine Vorform der Liederlichkeit. Ja, des hob i g’sagt, wos g’sagt werd’n muaß, muaß g’sagt werd’n. Des hob i auch zu unserm Herrn Pfarrer g’sagt, wia i eahm de Zeitung mit Eahna drin zoagt hob. Hätt de Frau Sägebrecht ned ois verteilt, dann hätt’s jetzt auch so a klein’s Häuserl wia mia und koane solchen Sorg’n, so ein Dilemma«, ereifert sie sich über den Gartenzaun, an den ich mich während ihrer Worttirade wieder zurückgekämpft habe, um mich in eine ökologisch sanfte Verteidigungsposition zu manövrieren.
    »Gnädige Frau, der Paparazzo hat da, obwohl ich ein ehrliches Gespräch mit ihm geführt habe, für die Zeitung das Meiste an den Haaren herbeigezogen. Das ist nach fünfunddreißig Jahren neu für mich. Ich hab mein Auskommen, schreibe Bücher, gebe Lesungen, erfülle einmal jährlich Dreharbeiten, aber nur wenn das Drehbuch von mir auf Herz und Niere geprüft ist«, verteidige ich vor der impertinenten Hinterfragerin, garniert von einer neuerlichen Hustenattacke, meine existenzielle Grundlage.
    »Aber nur wenn sie übahaupt no ein Angebot kriagn dat’n! Man sogt am Stammtisch, sie warn scho fui z’oid füa so wos«, kontert die Gnädige spitzfindig, was ich gelinde überhuste. »Schauen Sie, ich bin zufrieden mit meinem Leben, gerade so wie es ist. Wissen Sie, was meine Mutter immer zu den Leuten in unserem Dorf gesagt hat? ›Wenn der Marianne ihr Hintern nicht angewachsen wäre, würde sie den auch noch verschenken.‹ Und ich habe als Kind immer geantwortet: ›Was man auf der Herzseite hergibt, Mama, kommt auf der Leberseite bald wieder zurück.‹« Das lege ich dem runden Hintern meiner Informantin ans Herz, der sich gerade in Richtung Dorfmitte aus dem gefrorenen Staub macht.
    »Das Teilen mit dem Nächsten ist ein urchristliches Prinzip, damit bin ich schon als Indigo-Kind auf diese Welt hergeschickt worden, und Sie, Frau Kreuzpaintner, Sie gehen ja mit den Nachbarinnen so gerne in die Sonntagsmesse und Sie teilen auch gerne, Sie teilen ja so gerne mit. Ihr seid die bekennenden Christen vor Ort, ich bin eine praktizierende, damit stimmt’s schon wieder, das Weltengefüge«, schicke ich ihr meine Nachricht gedanklich ins Dorf hinterher. Hüstelnd und fiebrig, aber schmerzfrei, gelingt es mir völlig erschöpft, assistiert von einer kuscheligen Mohairdecke, in das Äther-Reich meiner Devas-Naturengel hinüberzugleiten.
    Mein charismatischer Großvater, Gärtner und Schamane, projizierte diese Himmelswesen schon früh in mein

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