Auf ein prima Klimakterium
seiner anstehenden Arbeit beantwortet werden wollten und auch wurden, mehr und mehr zu löchern. Opa trug’s mit Fassung und eröffnete mir seine Sicht auf die Erschaffung und Zusammensetzung der pflanzlichen Welt und ihren Schöpfer. Mein Blick auf das ganzheitliche Lebensprinzip, in Ehrfurcht und Einklang mit der großen Natur, ihrer Schönheit, ihren Gesetzen und ihren Geheimnissen, begann sich von dieser frühen Zeit an zu weiten und zu schärfen, vor allem in meiner akuten dritten Lebensphase, in der mich mein Lebensbaum, nach jahrelanger kräftiger Befruchtung, mit einer reichen Ernte von wohlschmeckenden, aber auch bitteren Früchten der Erkenntnis beschenkt hat. Hinsichtlich einer weiteren geistigen Befruchtung sehe ich in der nächsten Zeitperiode keinem Ende entgegen, so es Gott will und wie’s geschrieben steht.
Das große Brimborium ihres Gärtner-Vaters mit dem unendlichen Pflanzenangebot nötigte meiner Mutter Agnes nicht den großen Respekt und die Begeisterung ihrer Tochter Marianne ab. Seit Agnes’ zwölftem Lebensjahr hieß es für sie und ihre Geschwister, in der ersten eigenen Gärtnerei ihres Vaters, die sich in der Oberpfalz befand, schwer zu arbeiten. Unendlich trauerte das Mädchen einer glücklichen, friedvollen Zeit in ihrer Geburtsregion Chiemgau hinterher. Jetzt musste sie, nach einem frühen Tod der Mutter, buckeln, wie sie es immer nannte, pflanzen, gießen, jäten, harken, verkaufen, und nebenbei hatte sie als die Älteste, wie sie ihr Vater streng benannte, als Mutterersatz, bis zu seiner Wiederverheiratung, noch drei kleine Geschwister zu versorgen. Alles hatte sie klaglos auf sich genommen, aber die Schnapsidee ihrer fünfundvierzigjährigen Tochter Marianne im Jahre 1990, eine kleine Gärtnerei mit einem Café auf dem Lande auf grüne Beine zu stellen, erweckte nur ihr herzerfrischendes Lachen. »Ich bin doch nicht bekloppt, ich bin hier glücklich und zufrieden. Da musst du schon alleine losziehn«, prustete sie lachend, was ich auch nach ihrem Tod, neun Jahre später, in Richtung Holledau in die Tat umsetzte. Rentnerin Agnes liebte, nach vierzig Jahren verantwortungsvoller Berufstätigkeit als Leiterin einer Nähstube in einem Landkrankenhaus, das Stadtleben in unserem gemütlichen Schwabinger Domizil, das friedvolle Zusammenleben in einer Frauengemeinschaft mit ihren beiden Töchtern und ihrer Enkeltochter. Sie genoss ihre neue Freiheit, bereicherte mit ihrem trockenen Humor und ihrer Toleranz die Zusammenkünfte des jugendlichen Freundeskreises ihrer Enkelin. Für meine schwulen Freunde hatte sie ein großes Herz, deren Verehrung konnte sie sich sicher sein. Fünfzehn Jahre nach ihrem Heimgang ist die Erinnerung unserer Familienmitglieder an Mutter und Oma Agnes immer noch von großer Liebe und Dankbarkeit erfüllt.
Die Hausapotheke meiner Mutter war, von frühester Kindheit an, auf ein paar gravierende Heilessenzen und Pflanzen eingestellt, die ihren Dienst bis zu ihrem Schlaganfall in späten Jahren zu ihrer vollen Zufriedenheit leisteten.
Rosskastanien-Essenz gegen Durchblutungsstörungen bei Venen- und Kreislaufschwäche, der gute alte Melissengeist mit seiner beruhigenden und aufhellenden Wirkung, eine Packung Aspirin-Pulver, das man sich bei Kopfschmerzen und Schwindelgefühl einverleibte, um das verdünnte Blut besser durch die Adern fließen zu lassen. Eine runde Dose Nivea-Creme, flankiert von einer Flasche 4711, Mutters Lieblings-Eau de Cologne, nur am Wochenende aufgetragen, versuchten eine imposante Flasche mit Schwedentropfen, nach einem Rezept von Opa Franz-Xaver angesetzt, zu verdrängen. Diese Tropfen wurden die bittersten Feinde meiner Jugendzeit und sollten nach Mutters Wunsch das Grimmen in meinem Kinderbauch und die Wut auf meinen Stiefvater besiegen, wogegen ich mich mental tunlichst verwehrte, also Wirkung gleich null. Heute weiß ich die bitteren Aspekte, die entsäuernden und entgiftenden Eigenschaften dieser einmaligen Medizin zu schätzen und nehme diese, mit besten Erfahrungen, Gallen-, Leber- und Nierenhaushalte sagen Dank, prophylaktisch jeden zweiten Tag zu mir. Beinahe hätte ich jetzt die große Tüte Natronpulver vergessen, die neben den Kräutertropfen thronte. Bohnen wurden damit weich gekocht, die Zahnbürste mit dem Pulver bestückt, ein großer gehäufter Esslöffel voll weißem Pulver ergoss sich in meine Badewanne, um meinen kleinen duftenden Schweißfüßen den Garaus zu machen, wie Mutter argumentierte, und immer samstags wurde
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