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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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Leute zum Tode zu verurteilen hatte. Der brauchte dazu gar kein Machtwort Hitlers. Der wusste, was man von ihm erwartete.
    Vielleicht können wir für die heutige Zeit das Machtwort ersetzen durch »Worte, die bleiben«. Welches Ihrer Worte wird eine bleibende Wirkung haben?
    Das kann ich nicht aus dem Handgelenk beurteilen. Wahrscheinlich gar keines.
    Haben Sie manchmal das Gefühl, Sie hätten in Krisensituationen deutlichere Worte finden müssen – zum Beispiel in der Endphase Ihrer Kanzlerschaft, als die Genossen immer gemeiner wurden?
    Ich war schon für manche ein harter Brocken, aber eine größere verbale Schärfe wäre abwegig gewesen. Ich war hart genug.

    20. September 2007

[ Inhalt ]
    »Ich bin kein ängstlicher Mensch«
    Über persönliche Sicherheit
    Lieber Herr Schmidt, der ehemalige Terrorist Peter-Jürgen Boock hat gerade erklärt, dass die RAF 1977 geplant hatte, Sie zu entführen.
    Das habe ich gelesen.
    Waren Sie erschrocken? Angeblich hatte man Ihr Haus in Langenhorn beobachtet.
    Ich hab nur gedacht: Das wusste ich ja schon immer.
    Sie wussten das?
    Damals hab ich es unterstellt, nicht gewusst. Wir haben mit der Gefahr gerechnet.
    Ihr Bungalow wird heute noch Tag und Nacht bewacht, es gibt sogar ein Wachhaus für die Polizei. Wurde Ihr Haus in Ihrer Zeit als Kanzler auch schon so geschützt?
    Wahrscheinlich war es besser geschützt als heute.
    Kennen Sie überhaupt das Gefühl, Angst um Ihr Leben zu haben?
    Nein. Angst um das Leben anderer schon, Angst um das Leben meiner Frau zum Beispiel, die mehrfach krank gewesen ist. Ich selber bin kein ängstlicherMensch, das liegt mir nicht so. Vielleicht ist das auch eine Folge der Kriegserfahrung. Man hat gelernt, mit Angst zu leben und sie zu überwinden.
    Ihre Frau ist ähnlich unerschrocken.
    Das könnte sein. Das ist wahrscheinlich eine Entwicklung, die sich aus der Lebenserfahrung ergeben hat. Im Krieg haben wir viel Angst gehabt. Ich hatte auch Angst vor den Nazis. Danach eigentlich keine Angst mehr. Vielleicht mit einer Ausnahme: Ich habe mal in einem Flugzeug gesessen, dessen Fahrwerk nicht rauswollte. Beim ersten Anflug hatte es schon nicht funktioniert, beim zweiten Mal auch nicht, obwohl der Pilot einen sehr steilen Anflug versuchte. Da habe ich Angst gehabt, ja. Das ist aber auch schon über 50 Jahre her.
    Haben Sie ein Stoßgebet gen Himmel geschickt?
    Nee, an den lieben Gott habe ich dabei nicht gedacht! Beim dritten Anflug hat’s funktioniert. Allerdings mussten wir dann, weil das Flugzeug nicht weiterfliegen konnte, über Nacht auf Neufundland bleiben, in heruntergekommenen Baracken, die aus dem Krieg stehen geblieben waren. Die habe ich auch in Erinnerung.
    Würden Sie Menschen, die bedroht werden, empfehlen, möglichst wenig daran zu denken, um den Tätern nicht den Triumph des Schreckens zu gönnen?
    Ich würde mich sehr scheuen, anderen Rat zu geben. Ich bin ja kein Psychotherapeut und auch kein Pastor. Aber wenn mich einer um Rat fragt, dann würde ich dem Sinne nach mit dem berühmten Serenity Prayerdes amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr antworten. Er bittet den Herrn, ihm die Kraft zu geben, Dinge, die er ändern kann, tatsächlich zu ändern, ihm zweitens die Gelassenheit zu geben, Dinge zu ertragen, die er nicht ändern kann, und drittens die Weisheit, beides voneinander zu unterscheiden. Wenn einer bedroht ist, kann er das von sich aus nicht ändern. Also muss er es ertragen, am besten in Gelassenheit.
    Ist es manchmal nicht auch vorteilhaft, Leibwächter zu haben?
    Wenn man alt und wacklig ist wie ich und die Sicherheitsbeamten freundlich genug sind, den Koffer oder die Aktentasche zu tragen, ist das sehr angenehm.
    Einmal habe ich bei Ihnen zu Hause einen Ihrer ehemaligen Sicherheitsbeamten getroffen, ein Mann wie ein Schrank, sehr liebenswürdig. Sie haben also einige Bewacher offenbar ins Herz geschlossen.
    Ja, durchaus. Der Mann, von dem Sie sprechen, der gehört quasi zur weiteren Familie, und er ist nicht der Einzige.

    27. September 2007

[ Inhalt ]
    »Ich kann keine Texte behalten«
    Über Politik und Rhetorik
    Lieber Herr Schmidt …
    … Sagen Sie mal, können Sie mir erklären, warum so viele Journalisten nicht zu verstehen sind, wenn sie reden?
    Sie meinen die Kollegen eben in unserer Politikkonferenz?
    Ja, aber nicht nur da. Ich meine, dass jemand, der ein klares Urteil hat und analytisch denken kann, auch eine gute Stimme und Artikulationsvermögen haben sollte.
    Na ja, Bismarck zum Beispiel soll eine

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