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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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ziemlich hohe Stimme gehabt haben.
    Ist natürlich Pech, wenn einer eine hohe Stimme hat. Aber das kann man ausgleichen. Dann muss man langsam sprechen. Ich spreche auch viel langsamer als die Kollegen hier.
    Sie haben leicht reden, Sie können wunderbar modulieren. Haben Sie mal Sprechtraining gehabt?
    Nö, das habe ich im Laufe des Lebens gelernt.
    Sie reden wie ein Schauspieler.
    Ja, aber ich würde kein Schauspieler sein können, weil ich die Texte nicht behalte.
    Sind Sie wirklich ganz ohne Imageberater ausgekommen in Ihrem langen Politikerleben?
    So was gab’s damals nicht, und ich wäre auch nie auf die Idee gekommen. Ich habe allerdings großen Wert darauf gelegt, dass der Pressesprecher meiner Regierung sein Metier beherrschte und das Taktgefühl hatte, das dazu notwendig ist. Das war Klaus Bölling, der war damals 30 Jahre jünger als heute …
    … auch ein sehr telegener, also öffentlichkeitswirksamer Mann …
    … er konnte sehr gut mit seinen journalistischen Kollegen umgehen, und er hat ein politisches Gespür und politische Urteilskraft. Dann habe ich mal ein Jahr lang oder anderthalb jemanden aus der ZEIT geholt, Kurt Becker – ein wunderbarer Kerl! Aber ausgerechnet mit Journalisten konnte er nicht so gut umgehen.
    Haben Sie jemals einen politischen Redner erlebt, von dem Sie sagen würden, der ist sogar besser als ich?
    Jedenfalls habe ich einen erlebt, der mindestens genauso gut war: Das war Franz Josef Strauß.
    Hat der improvisiert?
    Ja, so wie ich auch. Das Problem bei ihm war nur, dass manchmal Unglücke passierten, wenn er extemporierte.
    Ist Ihnen das nie passiert?
    Ich hatte vielleicht mehr Selbstdisziplin.
    Und heute, welche Politiker finden Sie als Redner brauchbar?
    Das kann ich nicht beurteilen.
    Es gab bis zur letzten Bundestagswahl immerhin einen Joschka Fischer!
    Der Joschka Fischer ist in meinen Augen ein begabter Demagoge, ein glänzender Sprecher. Aber sonst: bis gestern Friedensbewegung und plötzlich, 1998, ein Bellizist – ob es Bosnien, Kroatien oder Herzegowina war. Und das dann auch noch im Namen von Auschwitz, das ist Fischer.
    Sie reden jetzt wie ein Linker bei den Grünen. Haben Politiker nicht das Recht, sich zu verändern?
    Es kann ja sein, dass er inzwischen erwachsen ist, ein bisschen spät im Leben, er dürfte jetzt beinahe sechzig sein.
    Tun Ihnen manche Ihrer Urteile oder Polemiken auch mal leid?
    Manche Polemik kam aus dem Handgelenk, aber sie war gleichwohl in dem Bruchteil der Sekunde, ehe sie ausgesprochen war, doch überlegt und kontrolliert. Deshalb glaube ich, dass ich in 30 Jahren Zugehörigkeit zum Parlament kaum etwas gesagt habe, was ich später hätte bereuen müssen.

    4. Oktober 2007

[ Inhalt ]
    »Drüben am Walde
kängt ein Guruh«
    Über Herbst, Poesie und
abwegige Sentimentalitäten
    Lieber Herr Schmidt, lassen Sie uns heute über den deutschen Herbst sprechen.
    Bitte nicht schon wieder!
    Ich meine nicht das Jahr 1977, sondern den Herbst als die typische deutsche Jahreszeit. Rührt die Liebe der Deutschen zum Herbst daher, dass sie so melancholisch veranlagt sind?
    Stimmt denn das, dass die Deutschen den Herbst besonders lieben?
    Wir haben nachgeschaut: Zu keiner anderen Jahreszeit bekommt man zum Beispiel in einer deutschen Buchhandlung mehr Gedichtbände als im Herbst.
    Richtig ist jedenfalls, dass die Deutschen eine sentimentale Ader haben, vielleicht noch ein bisschen mehr als die Engländer oder als die Holländer, nicht notwendigerweise mehr als die Franzosen, die Italiener oder die Polen.
    Mögen Sie den Herbst?
    Ich liebe klares Wetter. Wenn wir einen schönenklaren Himmel im Herbst haben, dann mag ich ihn sehr gerne. Wenn wir aber Hamburger Nebel und Schmuddelwetter haben, dann mag ich ihn gar nicht.
    Sie gehören ja noch jener Generation an, die in der Schule Gedichte auswendig lernen musste.
    Ich selber eher wenig, in meiner Schule kaum.
    Können Sie sich wenigstens an ein paar der unzähligen Herbstgedichte deutscher Dichter erinnern?
    Aus dem Handgelenk fällt mir keines ein.
    Dieses dürften Sie vielleicht kennen: »Seufzend in geheimer Klage/Streift der Wind das letzte Grün;/Und die süßen Sommertage,/Ach, sie sind dahin, dahin!«
    Dies Gedicht ist mir nicht in Erinnerung.
    Aber vielleicht dieses, Sie waren doch mal Segler: »Am Ufer standen wir und hielten/Den Segler mit den Augen fest –/Das ist der Herbst! wo alles Leben/Und alle Schönheit uns verläßt.«
    Also, dass im Herbst uns das Leben verlässt, das ist dummes

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