Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
Reise ins Ausland.
Gemeint habe ich, es sei die letzte große Reise. Innerhalb Europas – nach Frankreich, England, Schweden, Italien oder Polen – ist es keine so große Anstrengung.
Waren Sie zunächst in New York?
Ja, und ich habe lauter alte Freunde gesehen: Henry Kissinger, Paul Volcker, Michael Blumenthal, Fritz Stern, Alan Greenspan, Colin Powell, Fred Bergsten. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist: All meine nicht ganz optimistischen Urteile über die politische Klasse Amerikas scheinen sich zu bestätigen.
Nicht ganz optimistische Urteile – das ist ein Euphemismus. Kein bedeutender Politiker im Westen hat die Regierung Bush so hart kritisiert wie Sie.
Und ich habe davon leider nichts zurückzunehmen.
Fühlten Sie sich auch bestätigt, als jetzt bekannt wurde, dass das iranische Atomwaffenprogramm offenbar seit 2003 ruht?
Iran ist einer der Punkte, Irak ist ein anderer, Afghanistan ein dritter. Die mögliche EntwicklungPakistans ist ein vierter Punkt. Ein fünfter sieht ein wenig besser aus: Das ist die Nahostkonferenz in Annapolis. Aber da muss man wahrscheinlich ein ganzes Jahr warten, ehe man beurteilen kann, ob sich die gelohnt hat. Eigentlich wäre eine solche Konferenz schon aus Anlass des Besuchs von Anwar al-Sadat in Jerusalem angebracht gewesen, das ist 30 Jahre her. Oder aber ein Jahr nach Amtsantritt von Bush junior. Dass er das jetzt kurz vor Schluss der Regierungsperiode macht …
… ist der Sorge um seinen Ruhm in den Geschichtsbüchern geschuldet?
Das sieht so aus, ja. Die Erwägungen, die ihn zu dieser Konferenz bewogen haben, hätte er ein Jahr nach Regierungsantritt anstellen können und sollen. Jetzt kann er die Ergebnisse nicht mehr lange beeinflussen.
Kennen Sie das Büro von Henry Kissinger?
Ja.
Da stehen lauter Fotos: Kissinger mit den Mächtigen der Welt. In Ihrem Büro hier in Hamburg gibt es solche Bilder nicht.
Aber in meinem Berliner Büro.
Sind solche Fotos wichtig?
Sie helfen der Erinnerung. Vor allem, wenn es sich um Schnappschüsse handelt, nicht um offizielle Paradefotos.
Was wollten denn die Amerikaner von Ihnen wissen?
Die sind ungeduldig – sie wollen wissen, wie lange der europäische Integrationsprozess noch dauert. Ich habe denen gesagt, es ist ein Vierteljahrhundert her, dass Henry Kissinger sich beklagt hat, es gebe keine Telefonnummer, die man wählen kann, wenn man etwas von Europa wolle. Heute brauchen Sie sogar 27 Telefonnummern von 27 Mitgliedstaaten der EU. So wird es auch noch lange bleiben. Das hören die Amerikaner nicht gerne. Sie stellen sich vor, es müsste alles im Handumdrehen gehen.
Schätzen die Amerikaner Frau Merkel?
Sie haben einen guten Eindruck, aber der ist oberflächlich. Er beruht auf den Berichten in Zeitungen und im Fernsehen.
Sie haben uns einmal erzählt, immer wenn Sie in New York sind, versuchen Sie, ins Metropolitan Museum of Art zu gehen, um das Gemälde »Gewitter über Toledo« von El Greco zu sehen.
Ja, diesmal auch. Fast alle Bilder, die man von El Greco kennt, sind Porträts, aber dieses eine ist eine Art Fantasielandschaft, wunderschön. Und ich hatte eine wunderbare Führerin durch das Museum. Ich will ihren Namen gerne sagen, vielleicht nützt es ihr. Die Frau ist wirklich gut, sie heißt Sabine Rewald.
3. Januar 2008
[ Inhalt ]
Erratische Entgleisungen
Über Herbert Wehner
Lieber Herr Schmidt, heute würde ich gerne über einen Mann mit Ihnen reden, von dem gesagt wird, er sei Ihnen Vorbild gewesen: Herbert Wehner.
Nee, ein Vorbild war er für mich nicht, aber er hat mich nie enttäuscht. Er war für mich ein ganz zuverlässiger politischer Partner. Mir ist die Vorgeschichte Wehners …
… Sie meinen während des Krieges, als er in Moskau war …
… ja, und auch davor, in der Weimarer Zeit – die ist mir einigermaßen bekannt, aber nicht ganz durchsichtig. Ich will sie deswegen auch nicht beurteilen.
Auch nicht den Vorwurf, er habe im Exil Genossen ans Messer geliefert?
Auch das nicht. Ich habe Wehner gekannt seit 1946, und ich konnte mich immer darauf verlassen, dass er sein Wort hält. Aber ich hatte in den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren ein anderes Vorbild, das war Fritz Erler.
Einer der großen Reformer der SPD . Anders als bei Wehner ist die Erinnerung an ihn verblasst.
Ja, er gehört zur Frühgeschichte der Bundesrepublik. Was mir an Erler imponiert hat: Er war ein Mann, derbei den Nazis, ich weiß nicht wie lange, gesessen und nie eine Universität von innen
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