Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
es da drei Leute gegeben hat, die keine Nazis gewesen waren, die aber von einigen jungen Offizieren beargwöhnt und isoliert wurden, weil sie als Nestbeschmutzer galten. Da haben die Engländer beschlossen, sie rauszulassen. Einer von den dreien war ich.
Dann sind Sie in der abgerissenen Uniform nach Hause zu Ihrer Frau Loki gefahren?
Nein, in einer selbst geschneiderten Hose.
Sie können schneidern?
Kann ich nicht. Das war eine Hose, aus einer Zeltbahn zusammengenäht mit einem Wollfaden, und weil ich keine Knöpfe und keinen Reißverschluss hatte, habe ich einen einzigen ganz großen Knopf vorn auf den Schlitz genäht.
Was hat Loki gesagt, als sie Sie so gesehen hat?
Wir sind uns um den Hals gefallen.
Ihre Frau sagte einmal, es sei eines von zwei Malen gewesen, dass Sie vor ihr geweint hätten.
Ja … (schweigt) ja.
Warum tragen moderne Diktatoren so gern Uniform?
Nicht nur Diktatoren. Schauen Sie sich die Nato-Generäle an – mit tausend Orden, obwohl kaum einer, der sie trägt, je einen Krieg gesehen hat. Militär schmückt seine Uniformen immer gern – und Generäle immer mit Gold.
Haben Sie als Kanzler Ihren Kleidungsstil geändert?
Nee. Ich habe allerdings immer Schlips und Kragen getragen.
Haben Sie Ihre Kleidung selbst eingekauft, oder sind Sie beliefert worden?
Die habe ich immer selbst gekauft, und zwar hier in Hamburg in einem Geschäft, das leider dieses Jahr aufgegeben worden ist. Bei Staben habe ich alle meine Anzüge gekauft, beginnend beim Großvater des letzten Inhabers.
Es fällt auf, dass Sie bei den Redaktionskonferenzen immer seltener Krawatten tragen.
Das ist eine neuerliche Eigenart. Ich habe es jahrzehntelang anders gehalten, aber im Alter werde ich nachlässig und passe mich den Redakteuren an.
17. April 2008
[ Inhalt ]
»Ich habe ihn bewundert
und geliebt«
Über Herbert von Karajan
Lieber Herr Schmidt, überall ist jetzt an den hundertsten Geburtstag Herbert von Karajans erinnert worden. Haben Sie Ihren Freund in den Berichten wiedererkannt?
Einiges habe ich zustimmend gelesen. Ich selber hatte gegenüber Karajan großen Respekt, wegen seines Talents als Musiker und Dirigent, aber auch wegen seiner Selbstdisziplin. Im persönlichen Umgang war er angenehm, keineswegs abgehoben, wie es manche empfanden.
Einmal schrieben Sie: »Ich habe ihn bewundert und geliebt.« Das haben Sie über keinen anderen gesagt.
Das Letztere ist Zufall; denn es gibt mehrere, über die ich mich ähnlich ausdrücken würde. Ich würde auch Herbert Wehner nennen, einen ganz anderen Mann.
Und Siegfried Lenz?
Ja. Um in der Politik zu bleiben: Es trifft auch für Hans-Jürgen Wischnewski zu.
Die Liebe zur Musik, die Leidenschaft fürs Segeln,die eiserne Selbstdisziplin, die Hingabe an den Beruf bis ins hohe Alter – Karajan müsste doch für Sie ein Bruder im Geiste gewesen sein.
Wenn es nicht anmaßend klingt, würde ich zustimmen.
In einer Fernsehdokumentation haben Sie gesagt, Karajans Selbstdisziplin sei so streng gewesen, dass es beinahe ekelhaft war. Noch strenger als bei Ihnen?
Ich nehme an, strenger. Er hatte übrigens eine Fähigkeit, die mir ein bisschen abgeht: Er war bei aller Hingabe an die Musik doch auch ein guter Geschäftsmann. Das Geld an sich hat er ganz gerne gehabt.
War Ihnen Geld etwa nicht wichtig?
Nein, ist es nicht. Ich würde mir keine Jacht im Mittelmeer wünschen – und auch kein Haus in St. Tropez.
Dort waren Sie in Ihrer Zeit als Kanzler mal zu Gast und haben mit Karajan stundenlang über Gott und die Welt diskutiert. Wo war er politisch zu verorten?
Ob wir über Politik geredet haben, erinnere ich nicht mehr. Er ist innerlich ein Salzburger geblieben, aber gleichzeitig war er ein Weltbürger. Überall, wo er musizieren konnte, war er zu Hause. Das ist aber keine Eigenart von Karajan allein, das gilt genauso für andere Dirigenten, etwa Zubin Mehta, Sergiu Celibidache oder Lenny Bernstein.
Hätten Sie das gekonnt?
Nein, ich bleibe ein Deutscher.
Bis heute gilt das Verhältnis Karajans zu den Nazis als ungeklärt. Gleich zweimal indes ist er in die NSDAP eingetreten.
Es gibt viele Künstler und Autoren, die sich mit dem Regime arrangierten, um musizieren, ihre Bilder ausstellen oder ihre Romane gedruckt sehen zu können. Ich würde daraus keinen moralischen Vorwurf ableiten wollen, es sei denn, einer hat etwas Verwerfliches pekziert. Dergleichen ist mir aber bei Karajan nie zu Ohren gekommen.
Waren diese Künstler eher naiv oder
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