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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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(lacht)
    Hätten Sie den gern bekommen?
    Nein, es gibt keinen Grund, mir irgendeinen Preis zu verleihen.
    Wünschen Sie sich überhaupt etwas zum Geburtstag?
    Ja, zufriedengelassen zu werden.
    Dieser Wunsch wird ja nicht in Erfüllung gehen.
    Vielleicht zu eurer Überraschung doch!
    Wissen Sie, was Loki Ihnen schenken wird?
    Ich nehme an, eine rote Rose.
    Ist das Tradition bei Ihnen?
    Ja.
    Und was bekommt sie von Ihnen?
    So etwas Ähnliches. (lacht)
    Es gibt bestimmt viele Menschen, die Ihnen etwas schenken möchten. Würden Sie das lieber in eine Spende umgeleitet wissen, zum Beispiel für Ihre Stiftung?
    Das wäre in Ordnung.
    Darf man Ihnen Gesundheit wünschen?
    Ja sicher, wenngleich in diesem Alter eigentlich niemand mehr gesund sein kann. Wir wollen so sagen: Wünschenswert ist Schmerzfreiheit.

    11. Dezember 2008

[ Inhalt ]
    »Die einzige Oase
im Dritten Reich«
    Erfahrungen unter Künstlern
    Lieber Herr Schmidt, schon lange wollte ich Sie nach Ihren Erinnerungen an die Künstlerkolonie in Fischerhude bei Bremen fragen. Sie waren dort als Jugendlicher und junger Soldat häufig zu Gast. Hatten Sie damals einen kleinen Hang zur Boheme?
    Nein. Als ich mit meinem Bruder 1934 auf einer großen Radtour von Hamburg bis in den Rheingau war, machten wir Station bei einem Freund von Onkel Heinz in Fischerhude. So kamen wir in Kontakt mit den Malern; Fischerhude war ein später Ableger von Worpswede. Clara Rilke-Westhoff, die Witwe von Rainer Maria, lebte dort, Otto Modersohn und andere. Dort herrschte eine Atmosphäre, die ganz anders war als im »Dritten Reich«.
    Sie haben das ganz bewusst so wahrgenommen?
    Ja. Vor dem Krieg, von 1937 bis 1939, war ich Wehrpflichtsoldat und fuhr am Wochenende gern mit der Bahn von Vegesack nach Sagehorn; von dort nach Fischerhude musste ich sechs Kilometer durch wunderschöne Natur gehen und mehr als zwanzig Brücken überqueren. Keine Berge, keine Hügel, nur flaches Land, kleine Flüsse und ein riesenhafter Himmel.Unter den Malern gab es keine Nazis. Ich traf dort Musiker, Autoren und Maler, auch aus Frankreich und Holland. Für mich war das die einzige Oase im »Dritten Reich«.
    War Fischerhude eine Art Künstler-WG?
    Nein, jeder hatte sein eigenes kleines Häuschen. Die meisten lebten ärmlich. Man besuchte sich häufig, saß auch mal in der Kneipe zusammen und machte viel Musik, zum Beispiel im Hause von Clara Westhoff. Und es gab diese sehr freien Diskussionen!
    Hier die Künstler, da der Soldat Helmut Schmidt, der doch ordentlich nationalistisch eingestellt war – gab es da keine Spannungen?
    Ich war kein Nationalist, und Spannungen gab es nicht. Die Künstler kannten mich doch schon als 15-jährigen Jungen. Für mich waren die Besuche eine Erholung.
    Sie fühlten sich vor allem zu der Tänzerin und Malerin Olga Bontjes van Beek hingezogen. Was fanden Sie an ihr so faszinierend?
    So genau weiß ich das nicht mehr. Sie war eine liebenswerte Frau, die drei Kinder hatte. Ihr Sohn Tim war Pianist. Mietje, eine Tochter, ist Malerin geworden. Die ältere Tochter, Cato, ist in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden.
    Sie gehörte, glaube ich, der Roten Kapelle an. Sie hatte enge Verbindungen zum Widerstand. Beide Schwestern haben Flugblätter verteilt. Die Gestapohat beide gegriffen, und Cato hat ihr Leben verloren. Das beschäftigt Sie heute noch?
    Ich hatte Cato während des Krieges gewarnt, dass das, was sie machte, zu gefährlich sei. Aber ich war nicht energisch genug, das habe ich mir später vorgehalten. Einmal lud sie mich zu einer großen Fete in eine Altberliner Wohnung am Kaiserdamm ein. Es waren wohl an die 40 Leute da, und es wurde ungeheuer abfällig, sogar hasserfüllt über die Nazis geredet. Dabei kannte mich da außer Cato keiner – ich hätte doch auch ein Agent der Gestapo sein können!
    Stimmt es, dass Sie einst das Schild »Bundeskanzler« von Ihrer Tür im Bonner Kanzleramt entfernen und dafür den Hinweis »Nolde-Zimmer« anbringen ließen?
    Das stimmt.
    Das ist ja richtig subversiv!
    Ich habe mit bescheidenen Mitteln dafür gesorgt, dass der schmucklose Zweckbau des Kanzleramtes mit Kunst gefüllt wurde. Die von den Nazis so genannten »entarteten« Maler und Bildhauer sollten zu Ehren kommen.
    Sie hatten in Ihrem Arbeitszimmer auch ein sehr schönes Meerbild von Nolde.
    Das war eine Leihgabe der Nolde-Stiftung.
    Ihr Nachfolger hat es dann abhängen lassen.
    Ja. Später hat es bei Richard von Weizsäcker imPräsidialamt gehangen, er hat es mir eines Tages

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