Auf einmal ist Hoffnung
in den Sessel zurück und fügte hinzu: »Da kann es Hindernisse geben, die niemand voraussieht. Wände, gegen die man rennt. Teuflische Niederlagen, die einem den Glauben an sich selber nehmen.«
Ein paar Augenblicke lang war es still im Zimmer. In Patrick klangen die letzten Worte nach. Er nahm einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse behutsam zurück auf einen der Bücherstapel. »Monroe Kahn glaubte also an Superfexon.« Es kam gedankenversunken.
»Ja.« Louis fühlte sich angesprochen.
»Ich kannte ihn verhältnismäßig gut«, sprach Patrick weiter, »er war ein kluger Mann.«
»Auch kluge Menschen unterliegen manchmal Ängsten, die ihnen sozusagen den Verstand rauben«, sagte Louis gleichmütig.
»Ich sehe ihn noch vor mir«, erinnerte sich Patrick, »die weichen, leicht geröteten Wangen. Die Brille mit dem goldenen Rand. Das schlohweiße Haar.« Er sprach Louis direkt an: »Er war wohl der gütigste Mensch, den ich kannte.«
»Er war mir ein echter Freund«, bestätigte Louis die Worte des anderen.
Wieder trat eine kurze Pause ein, ehe Patrick noch einmal nachdrücklich feststellte: »Er hat also an Superfexon geglaubt.«
Er sah Louis ungeduldig an.
»Wenn Sie mich fragen wollen, warum ich ihn nicht eindringlich vor diesem Glauben gewarnt habe, will ich es Ihnen erklären«, antwortete Louis gelassen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe zu ihm nicht anders gesprochen als zu euch, wir hatten nur nicht soviel Zeit übrig wie jetzt.« Er bezog Jennifer mit ein.
»Wie hat er reagiert?« fragte Patrick.
»Können Sie sich das nicht denken?«
»Es lag sicher ganz an Ihnen.« Patrick wirkte auf einmal streitbar.
»Würden Sie einem alten, unsicheren Freund völlig den Boden unter den Füßen wegziehen, nur weil Sie ihm Ihre Wahrheit aufzwingen wollen? Eine Wahrheit, die ohnehin nur eine halbe ist?« Louis wehrte ruhig ab: »Nein, lassen Sie mich ausreden. Er ist zu mir gekommen, um mich um Hilfe zu bitten. Er tat äußerlich beherrscht, aber ich habe es ihm sofort angesehen, wie aufgewühlt er von vielen Ängsten war. Natürlich wußte ich, daß mit einer Behandlung durch Superfexon womöglich wertvolle Zeit vertan werden konnte. Aber wie gesagt, die Heilungschancen mit Superfexon sind vorerst nur fünfzig zu fünfzig. Also halb negativ. Aber eben auch halb positiv. Hätten Sie wirklich gegen seine Hoffnung entschieden?«
Patrick antwortete nicht.
Für ihn sprach Jennifer: »Er hätte sicher genauso gehandelt wie du, Onkel Louis.«
»Warum hat er zuerst mit Stockholm Verbindung aufgenommen, wenn er doch einen Freund wie Sie hatte?« Patrick war noch immer unzufrieden.
»Das hat wohl zwei Gründe gehabt. Zum einen hatten die Schweden gerade besondere Erfolge bekanntgegeben. Zum anderen ist es unsere ganz persönliche Geschichte, die bis nach Berlin zurückreicht.«
»Berlin?« Patrick war verwirrt.
»Vater stammte aus Berlin«, kam Jennifer ihm zu Hilfe.
»Ich nehme an, Sie wollen erfahren, was geschah, als er vor sechs Tagen zu mir kam?« Louis wandte sich an Patrick und lenkte bewußt ab.
»Ja.« Patrick nickte.
»Er hat mich, wie Sie es taten, von New York aus angerufen, um sich zu vergewissern, daß ich hier war«, begann Louis und sprach abwechselnd zu beiden, »aber er hat mir nicht gesagt, worum es sich handelte. Im Gegenteil, er hat seinen Besuch als ein zufälliges Vorbeikommen hingestellt. Dann, als er hier war und wir uns einige Zeit unterhalten hatten, wußte ich sehr bald, worauf er hinauswollte.«
»Haben Sie ihn offen darauf angesprochen?«
»Ja.« Für Louis war das selbstverständlich.
»Er wollte also von ihnen alles über Superfexon wissen?« fragte Patrick unmißverständlich.
»Nein«, sagte Louis erstaunt.
»Nein?« Patrick wollte es nicht glauben.
»Was wollte er dann von dir?« Jennifer sah Louis mit großen Augen an.
»Zugegeben«, sagte Louis, »er hat sich nach dem neuesten Stand von Superfexon erkundigt, aber nur kurz, denn er wußte schon verhältnismäßig viel darüber.«
»Er war über Superfexon informiert? Er hat mir davon nie etwas erzählt.« Jennifers Blick ging unwillkürlich zu Patrick.
Louis wandte sich jetzt ausschließlich an sie und sprach warmherzig auf sie ein: »Dein Vater war nicht nur ein hilfsbereiter, kluger Mensch, er war vor allem auch duldsam. In den vielen Jahren, die wir zusammen erlebten, habe ich ihn nie etwas fordern hören, nicht einmal bitten. Er war so genügsam, daß es mich oft beschämte. Und er war
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