Auf einmal ist Hoffnung
zurückhaltend. Er wurde sicher von genauso vielen Problemen bedrückt wie wir alle, aber er hat nie darüber gesprochen.«
Er machte eine kurze Pause und bezog dann Patrick mit ein: »Ich wußte also, wie ich ihn nehmen mußte, wenn ich etwas über seine Probleme erfahren wollte. Ich mußte fragen. Immer wieder fragen. Eindringlich. Unnachgiebig. Das habe ich auch getan, vor sechs Tagen. Wir saßen wie jetzt hier in der Bibliothek. Nur wir zwei. Es hat eine ziemliche Weile gedauert, bis ich alles wußte. Er hat mir von Coblence erzählt, von Pollock, von Sellenstett. Und schließlich von seiner panischen Angst.«
»Ich verstehe«, sprach Patrick in sich vertieft, »er wollte an Superfexon herankommen«, und mit dem Blick zu Louis: »War es so?«
»Ja.« Louis sah von einem zum anderen. »Er hat mich gefragt, ob bei uns eine genügende Menge davon vorrätig sei, für eine Behandlung. Ich habe es ihm bestätigt. Aber ich habe auch auf den Beschluß hingewiesen, der es mir sozusagen verbot, Superfexon zur Behandlung an Privatpersonen weiterzugeben.«
»War er darüber betrübt?« fragte Jennifer leise, und ihrem Gesicht war anzusehen, wie sehr sie die Erinnerung an ihren Vater aufwühlte.
»Er hat es zumindest nicht erkennen lassen«, antwortete Louis nach flüchtigem Nachdenken, »er tat, als habe er von vornherein nicht unbedingt damit gerechnet, durch mich an Superfexon zu kommen, denn er hatte sofort eine andere Möglichkeit im Auge.«
»Eine andere Möglichkeit? Gibt es die überhaupt?« Patricks Stimme klang verwundert.
»Der schwarze Markt«, erklärte Louis trocken und holte aus: »Aus dem östlichen Ausland wird verhältnismäßig billiges Superfexon angeboten – es durchläuft keine Sicherheitstests. Das Fremdeiweiß wird nicht genügend ausgeschaltet. Da hilft es auch nicht, wenn der Stoff, statt intramuskulär gespritzt, durch Zäpfchen oder stundenlange Inhalation eingenommen wird. Er ist unrein und nicht konzentriert genug und deshalb für eine Behandlung nicht nur unbrauchbar, sondern sogar schädlich.«
»Wie ist so etwas möglich?« Jennifer war sprachlos. Sie bezog es auf das Angebot von Superfexon am schwarzen Markt.
»Wie ist es möglich, daß tödliche Drogen schwarz in den Handel kommen? Daß Waffen illegal für kriegerische Auseinandersetzungen geliefert werden?« Louis zuckte bedauernd die Achseln.
»Hat er es eingesehen?« Patrick wandte sich an Louis, er wollte das Gespräch vorantreiben, damit sie nicht unter Zeitdruck gerieten.
»Ich war es, der Einsicht zeigte«, sagte Louis, »ich habe gespürt, daß er bedingungslos auf den schwarzen Markt gehen würde. Und da habe ich mich entschieden.«
»Du hast es ihm gegeben?« fragte Jennifer überrascht.
Louis ließ sich mit der Antwort Zeit. Er trank seinen Kaffee aus und stellte die Tasse zurück auf die Bücher. In Gedanken vertieft sagte er: »Vielleicht war es die Weisheit des Alters, die mich so handeln ließ.« Er lächelte still in sich hin ein.
»Sie haben gegen den weltweiten Beschluß gehandelt?«
»Ich habe für mein Gewissen gehandelt«, antwortete Louis ruhig und fügte betont hinzu: »Außerdem werden weltweit mit ein paar Patienten Testversuche gemacht. Dafür gibt es keine besondere Auswahl. Das heißt, es wird niemand bevorzugt. Ich habe Mon den Stoff eben zu einem Testversuch ausgehändigt.«
Einen Augenblick lang war es still im Raum. Durch die geschlossenen Fenster hörte man, daß ein starker Wind aufkam.
»Möchte noch jemand Kaffee?« fragte Jennifer, doch beide Männer verneinten.
Wieder trat Stille ein, bis Louis wie abschließend feststellte: »Ich glaube, jetzt wißt ihr alles.« Er erhob sich.
»Ich habe noch eine Frage«, sagte Patrick.
»Ja?« Louis straffte seinen Körper.
»Sie haben eben von Ihrem Gewissen gesprochen, das Ihre Entscheidung stark beeinflußte. Hatte es etwas mit Berlin zu tun?« Patrick stand ebenfalls auf.
»Es ist eine lange Geschichte«, sagte Louis zu Patrick und sah auf Jennifer hinunter, die noch in ihrem Sessel saß, »du kennst sie sicher.«
»Welche Geschichte?« Jennifers Stimme klang kaum hörbar.
»Die Geschichte unserer Freundschaft.« Er meinte Monroe Kahn und sich.
Jennifer verneinte und setzte gespannt leise hinzu: »Erzähl.«
Louis überlegte kurz. »Okay.« Er trat an das Bücherregal, kam mit einer Schatulle voll Zigarren zurück und bot Patrick davon an. Der verneinte.
»Und du?« wandte er sich an Jennifer und ergänzte: »Ich habe auch
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