Auf einmal ist Hoffnung
Urans. Berühmte Maler wirkten in Berlin, unter anderem Paul Klee, George Grosz, Lovis Corinth. Der Berliner Kurt Weill schrieb die Musik zu Bert Brechts ›Dreigroschenoper‹. In Berlin gab es allein über dreitausend Bankniederlassungen und einhundertfünfzig Tageszeitungen. Nach London, New York und Chikago war Berlin die viertgrößte Industriestadt der Welt.
Dann kam Hitler an die Macht. Neunzehnhundertdreiunddreißig.
Monroe Kahn und Louis Hornberger waren immer noch unzertrennlich. Sie besuchten gemeinsam das Gymnasium, sie hatten zwei Schwestern zu Freundinnen und schrieben sich gemeinsam an der Friedrich-Wilhelm-Universität für das Studium der Medizin ein.
Doch dann ließ Hitler die ›Nürnberger Rassengesetze‹ verkünden. Monroe und Louis mußten die Universität verlassen. Monroe versuchte verzweifelt, eine Anstellung zu finden, und kam nach vielen Mühen bei einem Freund seiner Eltern als Glasschneider in einer kleinen Spiegel Werkstatt unter. Louis arbeitete im Delikatessenladen seines Vaters mit.
Drei Jahre später, in der Nacht vom elften auf den zwölften November, setzten schlagartig in ganz Deutschland Gewaltakte gegen Juden ein. Es war die berüchtigte ›Reichskristallnacht‹.
Synagogen gingen in Flammen auf. Jüdische Geschäfte wurden zerstört und geplündert, Zehntausende Fensterscheiben eingeworfen. In Berlin wurden mehr als zwanzigtausend jüdische Bürger aus den Betten geholt und in Gefängnissen festgesetzt.
Schon als die ersten Flammen aus der nahen Synagoge loderten, trafen sich Monroe und Louis vor dem Gotteshaus auf der nächtlichen Straße. Eingekeilt in eine Menge Schaulustiger, mußten sie ohnmächtig mit ansehen, wie sich die Flammen in das Gebäude fraßen.
Als aber von SA-Männern Pflastersteine gegen jüdische Priester geworfen wurden, die noch etwas retten wollten, stürzte sich Louis blindwütig auf einen der Werfer, um ihn am Wurf zu hindern. Sofort war er von einer Übermacht von Männern in Braunhemden umringt, die ihn zusammenschlugen.
Er lag auf dem Gehsteig und blutete aus Nase und Ohren. Monroe beugte sich schützend über ihn und versuchte ihm zu helfen. Im gleichen Augenblick fuhr der Einsatzwagen des Polizeikommandos heran, und ein paar Polizisten zerrten sowohl den verletzten Louis als auch Monroe ins Auto, das gleich darauf schnell davonfuhr. Die beiden Freunde waren verhaftet.
Die ersten paar Tage verbrachte Monroe in einer Massenzelle, allein zwischen fremden Menschen. Er wurde weder zu einem Verhör geführt, noch konnte er seine Eltern verständigen. Er war von der Außenwelt abgeschnitten.
Am fünften Tag wurde er vernommen. Sie wollten von ihm ein Geständnis erpressen, daß er SA-Männer tätlich angegriffen habe. Doch er sagte nur die Wahrheit. Da schlugen sie ihn, quälten ihn mit dem Licht starker Scheinwerfer. Vergeblich – Monroe blieb standhaft. Von da an kam er in eine Einzelzelle.
Drei Tage später wurde Louis in Monroes Zelle eingeliefert. Sie waren beide starr vor Freude. Sobald der Wärter wieder aus der Tür war, Fielen sie sich ungestüm in die Arme. Louis hatte noch den Kopf verbunden, trug den Arm in einer Schlinge und hinkte. Im Überschwang der Wiedersehensfreude schworen sie, sich nie wieder trennen zu lassen.
So wurden sie gemeinsam verhört, gemeinsam verurteilt und gemeinsam ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht.
Zu ihren Eltern sollten sie nie mehr Verbindung bekommen. Louis Hornbergers Eltern wurden ein Jahr nach ihrem Sohn verhaftet. Der Vater starb nach langen Qualen im Konzentrationslager Buchenwald, die Mutter im Frauenlager Ravensbrück. Monroe Kahns Eltern gelang zwar die Flucht aus Deutschland, doch nur der Vater erreichte sein Ziel, Boston. Die Mutter starb auf dem Fluchtweg in Lissabon an Herzversagen. In Boston kam der Vater bei Verwandten unter. Fünf Jahre lang wartete er dort sehnsüchtig auf eine Nachricht seines Sohnes. Im sechsten Jahr, kurz bevor der Krieg zu Ende ging, starb auch er an einem Herzschlag.
Das Lager Sachsenhausen war, als Monroe und Louis dort hingeschafft wurden, noch klein. Zwanzig Baracken. Ein kleines Gefängnis, Bunker genannt. Ein Appellplatz. Ein Züchtigungsraum.
Sie lebten noch nicht lange im Lager, als Louis zum erstenmal zum Strafrapport befohlen wurde. Der dicke, gewissenlose SS-Unterscharführer Witt, der ihn gemeldet hatte, brachte ihn zum Büro des Lagerkommandanten, SS-Hauptsturmführer Kagel.
Kagel war als ebenso eitel wie heimtückisch bekannt. Groß,
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