Auf einmal ist Hoffnung
elektrische Licht an.
Jennifer Kahn und Patrick Hamilton waren vom Zuhören aufgewühlt. Sie hatten den Blick gesenkt und schwiegen.
»Wollt ihr noch Kaffee?« Louis wandte sich an seine Besucher und griff zuvorkommend nach der Kanne.
»Nein, danke«, antwortete Jennifer leise, und Patrick schüttelte den Kopf, ohne seine Haltung zu verändern.
»Dann will ich euch die Sache zu Ende erzählen«, sagte Louis und setzte da fort, wo er aufgehört hatte.
Jennifer saß vornübergebeugt, hatte den Kopf in beide Hände gestützt und sah Louis gespannt an. Patrick lehnte sich in den Sessel zurück, legte die Arme auf die Lehne und war in sich versunken.
Die Ankunft im Lager Auschwitz vollzog sich nicht grundlegend anders als die im Lager Sachsenhausen. Nur ein einziger Unterschied bestand, der aber war gravierend: Wer nach Auschwitz kam, der wußte, daß er mit dem Leben abgeschlossen hatte.
Im Laufe der Zeit nämlich hatte es sich unter den Häftlingen der anderen Lager herumgesprochen, daß von allen Martyrien Auschwitz das grausamste war.
Zur Begrüßung gab es Hiebe und Tritte, Kaltwasserspritzen und ausgedehnt den sogenannten Sachsengruß. Das hieß, daß sie drei Stunden unbeweglich in der Marschkolonne stehen mußten, ihr dürftiges Gepäck an der Seite, die Arme im Nacken verschränkt. Wer diesem Befehl nicht folgte oder aus Entkräftung nicht mehr dazu fähig war, wurde brutal zusammengeschlagen und aussortiert.
Wer aber aussortiert wurde, der befand sich meistens schon auf dem Weg in die Gaskammer.
»Schaffst du es?« flüsterte Monroe aus den Mundwinkeln heraus Louis zu, ohne daß es einer der Bewacher bemerkte.
»Ja«, kam die Antwort zurück, und Louis sah dabei unbeweglich geradeaus, doch seine Stimme klang schwach.
Sie standen beide nebeneinander in der Mitte einer Zehnerreihe, den Blick auf die Hinterköpfe der vor ihnen Stehenden gerichtet.
»Lehn dich an mich«, flüsterte Monroe, »ruh dich aus.« Er war in großer Sorge, ob Louis diese Strapazen durchhalten würde.
Louis lehnte sich heimlich an Monroe und war dem Freund dafür im stillen unendlich dankbar. Noch immer hatte er Fieber, war völlig ermattet, und ihn schwindelte Drei Stunden später war diese erste Qual zu Ende.
Danach setzte sich der Zug der Häftlinge schleppend in Bewegung, vorbei an der Blockführerstube und durch das Tor mit der zynischen Aufschrift ›Arbeit macht frei‹.
Entlang der Rückseite des Küchentrakts und der hohen Mauer aus schmutzigroten Backsteinen gelangte er zum Block Sechsundzwanzig. Dort waren sogenannte Badeanstalten untergebracht.
Louis und Monroe mußten sich nackt ausziehen. Ihre Wäsche, Kleidung und alle Kleinigkeiten mußten sie abliefern. Wie schon in Sachsenhausen durften sie nur ein Taschentuch und einen Hosengürtel behalten.
Sie erhielten die Karte mit ihrer Lagernummer und wurden in den Friseurraum getrieben. In langer Reihe stehend, wurden ihnen alle Körperhaare geschoren und die ausrasierten Stellen mit einem in eine Desinfektionsflüssigkeit getauchten Lappen flüchtig abgerieben.
Nach der ausführlichen Dusche händigte man ihnen die gestreifte Lagerkleidung aus.
Die darauffolgende Station war die Registrierung.
Auch hier blieben Louis und Monroe beisammen.
Zwei Schreibtische. Zwei SS-Rottenführer. Immer die gleichen Fragen. Hinter dem Tisch, vor dem Louis stand, saß ein nervöser Brillenträger, der magenkrank wirkte. Er hatte die Hände auf der Schreibmaschine. Seine Stimme war brüchig.
»Name?«
»Hornberger.«
»Vorname?«
»Louis Jakob.«
»Hörst du schlecht, du Hurenbock? Vorname!« Es kam gereizt.
»Louis.«
»Geburtstag? Ort?«
»Elfter März neunzehnhundertfünfzehn in Berlin.«
»Einweisende Dienststelle?«
»Lager Sachsenhausen.« Louis übergab den Laufzettel.
»Gedient?«
»Wie bitte?«
»Ob du beim Militär gedient hast?« fuhr der Fragende Louis barsch an.
»Nein.«
»Vorstrafen?«
»Nein.«
»Anschrift des nächsten Familienangehörigen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was heißt, du weißt es nicht?« Der Rottenführer schrie es aufgebracht.
»Ich weiß nicht, wo meine Eltern sind und ob sie überhaupt noch leben.«
Der andere schnitt ihm rüde das Wort ab: »Scheiß auf deine Eltern! Die Anschrift des nächsten Familienangehörigen will ich wissen!«
Louis schluckte. Seine Kehle war vor Erregung wie zugeschnürt.
»He, ich hab dich was gefragt!«
»Vielleicht gibt es meinen Onkel noch.«
»Name! Anschrift!« Die Stimme war
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