Auf einmal ist Hoffnung
Haar gefiel ihm. Sein kräftiges Kinn zeugte von Entschlußkraft, die sprechenden blauen Augen von Geist, die volle Stimme von Wärme.
Der Kellner brachte die Bestellungen, für Jennifer und Patrick je ein Käse-Sandwich und ein Glas Apfelsaft, für Louis Hornberger ein Pastrami-Sandwich und Bier. Ein paar Tische weiter saß Arrincha.
»Onkel Louis, du hast dich nicht verändert«, begann Jennifer ohne Vorrede.
Louis gab das Kompliment mit seiner dünnen Stimme zurück: »Und du bist inzwischen eine prächtige, schöne Frau geworden.« Er biß herzhaft in sein Pastrami-Sandwich. Dann fragte er nachdenklich: »Wie lange haben wir uns eigentlich schon nicht mehr gesehen, Jenny?«
»Du warst jedenfalls noch nicht in Galveston«, antwortete sie mit Bestimmtheit.
»Also war es in Harvard.« Er nickte zustimmend.
»Oder bei uns in New York«, gab sie zu bedenken.
»Richtig, es ist bei euch gewesen«, erinnerte er sich wieder, »es war dein zehnter Geburtstag, und du hast ihn im Bett verbringen müssen. War es nicht Mumps?«
»Ich glaube, ja«, entgegnete sie lebhaft.
Gleich darauf waren sie wieder beim Tod ihres Vaters, und Louis ließ sich von ihr in allen Einzelheiten davon berichten.
Patrick war von Louis Hornbergers Persönlichkeit angetan, von seiner ruhigen, durchgeistigten Art, seiner Zurückhaltung und dennoch herzlichen Anteilnahme. Er sah den großen schlanken Mann unverwandt an, das blasse Gesicht mit den wachen Augen, der hohen Stirn, dem Kranz von grauen spärlichen Haaren, den feinnervigen Schläfen.
Eine tiefe Traurigkeit lag über Louis Hornberger, das empfand Patrick deutlich. Ob sie wohl ausschließlich durch Kahns Tod ausgelöst war? dachte er unwillkürlich.
Je länger Jennifer erzählte, um so stärker versank Louis in seinen Gedanken. Als sie geendet hatte, herrschte eine Weile Stille am Tisch. Louis hatte die Stirn in die Hand gestützt und sagte schließlich kaum vernehmlich: »Ich hatte mich schon gewundert, warum er mich nicht verständigte.« Es bezog sich auf Monroe Kahn.
Für Patrick war es der Anlaß, ins Gespräch einzugreifen: »Wollte er Sie verständigen, als er zurück in New York war?«
Louis nickte.
»Um Ihnen mitzuteilen, daß er gut angekommen war?« fragte Patrick hellhörig.
Louis ging darüber hinweg und fragte Jennifer, wer alles Totenwache gehalten habe. Sie schilderte ihm die Situation mit der beim ›City Examiner‹ in der ersten Nacht beschlagnahmten und erst am zweiten Tag freigegebenen Leiche.
Louis war betroffen und fragte: »War die Beerdigung wenigstens zur rechten Zeit?«
»Ja. Am nächsten Nachmittag, um drei«, entgegnete sie verhalten.
Wieder breitete sich für eine Weile Schweigen aus. Patrick unterbrach es schließlich, indem er sich an Louis wandte und höflich, aber bestimmt noch einmal auf seine frühere Frage zurückkam: »Wollte er Sie wirklich nur davon verständigen, daß er wieder gut zu Hause angekommen war?«
»Nein, natürlich nicht«, antwortete Louis verstimmt, weil Patrick nicht von dieser Frage abließ, »er hat mir gesagt, daß er dich …« Er wandte sich geduldig Jennifer zu: »… er hat mir gesagt, daß er dich vor seinem Abflug nach Hause noch hatte verständigen wollen, aber nicht mehr erreicht hat. Und das wollte er sofort in New York nachholen.« Er nahm einen Schluck Bier, wie um seinen Unwillen gegen Patricks Hartnäckigkeit hinunterzuspülen.
Patrick aber gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. »Er wollte Sie also nur davon verständigen, ob er Jenny zu Hause gesprochen hat?«
»So ungefähr«, sagte Louis kurz angebunden und fragte Jennifer. »Wer alles war auf der Beerdigung?«
»Nur ein paar Leute«, sagte sie bedauernd, nachdem sie einen Bissen vom Käse-Sandwich hinuntergeschluckt hatte.
»Jemand von Philas Verwandtschaft?«
»Nein. Ich hatte keine Möglichkeit, sie rechtzeitig zu verständigen.«
»Beth?«
»Du erinnerst dich noch an Beth?« Ihr Gesicht leuchtete auf.
»War sie denn nicht eure beste Haushälterin gewesen?«
»Sie war die einzige.« Über Jennifers Gesicht huschte ein schwaches Lächeln, und leise setzte sie hinzu: »Sie ist schon seit ein paar Jahren wieder in Missouri.« Als Louis sie weiterhin ansah, als habe sie seine Frage nicht vollständig beantwortet, fügte sie leise hinzu: »Patrick war da, May, Eugene Fridkin und Sam Rosen.«
»Fridkin ist Kurator beim Whitney, nicht wahr?« fragte er nachdenklich.
»Ja«, bestätigte sie, »wir konnten die beiden durch Zufall
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