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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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vergewaltigt, und ich hätte es gewollt? Warum nicht, zum Teufel? Viel Spaß dabei.« Sie wirbelte herum und rannte auf die Straße hinaus.
    Ich sah ihr nach, und mein Herz klopfte so wild, dass ich glaubte, ich würde ohnmächtig werden. Sollte ich ihr nachlaufen? Würde das die Sache besser oder nur noch schlimmer machen?
    Carol sah mich an, dann wandte sie sich Martha zu und sagte im Flüsterton: »Da muss man Nachsicht haben, schätze ich, wenn man bedenkt, wie ihr Vater abgetreten ist. Solche Dinge können einen Menschen verändern.« Beide Frauen nickten mitleidig. Als sie sich zu mir umdrehten, konnte ich an ihren Augen den Kummer darüber ablesen, was in den letzten Jahren aus ihrer Insel geworden war.
    Ich ging zum Zeitungsständer und nahm die Block Island Times heraus. Und auf dem Titelbild einer Zeitung, die sonst mit Geschichten aufmachte wie »Carl Lawrence fängt 4o-Pfund-Barsch!« oder »Dolores Miles wird Siegerin mit köstlichem Kürbis-Käse-Kuchen!«, prangte ein großes Foto von Ryan Maclean, der Ronald Reagan die Hand schüttelte. Und über dem Foto die Schlagzeile: »Ist das das Gesicht eines Vergewaltigers?«

    Ich griff nach dem Boston Globe und überflog die Titelseite. Der Artikel stand in der unteren rechten Ecke. Ohne auf die Blicke der Leute zu achten, setzte ich mich auf ein Regal mit Dosensuppen und fing an zu lesen.
     
    An diesem Nachmittag fuhr ich mit dem Rad den Hügel zum Friedhof hinauf, und das Ziehen in meinen Beinen lenkte mich von meinen Gedanken ab. Erfüllt von dem Schmerz, den ich an diesem Ort immer wieder spürte, bog ich in den Weg zu Daddys Grab ein. Es war wie Heimkommen.
    Als ich klein war, verbrachte ich auf diese Weise Zeit mit meiner Mutter: Ich schloss einfach die Augen und versuchte, mich an ihren bittersüßen Duft nach Kaffee und Zigaretten zu erinnern. Ich war mir sicher, dass sie zuhörte, wo immer sie an diesem bestimmten Tag auch hingereist sein mochte.
    Aber dann begann ich, sie langsam zu verlieren. Zuerst verschwand ihr Geruch und dann das Gefühl meiner Wange auf ihrer Brust. Ich verlor sie, und dann zerriss Daddy jedes Bild, das wir von ihr hatten, sodass es nichts mehr gab, was mich an ihr Gesicht erinnerte. Es war fast so, als wäre sie eine Fiktion gewesen wie der Weihnachtsmann, an der ich festhielt, solange der Kinderglaube es zuließ. Mit Daddy sollte mir das nicht passieren, und deshalb kam ich fast jeden Tag her, um mir das Gefühl, das ich mit ihm verband, nachdrücklich einzuprägen.
    Ich lehnte mein Rad an eine Steinmauer, ging zu Daddys Grab und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Im Schatten verborgen kniete sie am Grabstein. »Eve?«
    Sie fuhr herum und starrte mich mit Tränen in den Augen erschrocken an. Es war das erste Mal, dass ich sie seit der Beerdigung hier gesehen hatte. Letzten Herbst, am Geburtstag unseres
Vaters, hatte ich versucht, sie mit hierherzunehmen, und erneut einen Monat danach, als der Grabstein gesetzt wurde, aber sie hatte sich jedes Mal beharrlich geweigert, als würde der Anblick des Grabes die Tatsache zementieren, dass er hier im Dreck begraben lag.
    Ich kniete mich neben sie, sie erstarrte und rutschte auf Knien von mir weg. Ich legte die Hand auf ihren Arm. »Es ist schön hier, nicht?«
    Sie antwortete nicht, sondern saß einfach da, die Fäuste zwischen die Knie geklemmt.
    »Erinnerst du dich, wie er uns immer diesen Hügel hinunterrollen ließ? Wie ungehörig das war, zwei Kinder, die einen Friedhof hinunterrollten? Aber er sagte, die Toten würden sich aufsetzen, um uns zuzusehen, und in ihren Gräbern lachen.«
    Eve sah mich mit großen Augen an. Plötzlich griff sie nach mir, legte die Stirn an meine Schulter und umklammerte mit beiden Händen meinen Arm. Ich seufzte, hielt sie fest und erinnerte mich, wie es gewesen war, als ich mich an ihre Taille klammerte und wir beide von der gleichen Angst, von der gleichen schmerzlichen Liebe erfüllt, hier hinunterrollten, zuerst sie oben, dann ich, und immer weiter so. Als würden wir in freien Fall übergehen, wenn wir losließen. Als könnten wir uns verlieren.
    Sie machte sich los, ihr Gesicht war rot und geschwollen, dann schüttelte sie den Kopf und rappelte sich hoch. Ich sah ihr nach, wie sie den Hügel hinaufrannte und auf der anderen Seite verschwand, dann blickte ich auf meinen Arm, auf die kleinen sichelförmigen Kerben, die ihre Fingernägel in meiner Haut hinterlassen hatten. »Du schaffst es schon«, flüsterte ich und wischte mir mit dem

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