Auf ewig und einen Tag - Roman
Seite gezerrtes Nachthemd, das meine Brüste entblößte. Ich sah auf die blassen Streifen, die meine Träger von der letztjährigen Sonnenbräune zurückgelassen hatten, und begann zu schluchzen.
29
Wir sprachen nie mehr über die Nacht auf dem Boot. Ich ließ die langen Sommertage wie Nebelschwaden vorbeiziehen, weich und undurchsichtig. Aber er war immer da, als verfolgte uns der Körper von Raum zu Raum, als legte er sich zu unseren Füßen, sodass wir gezwungen waren, ihm auszuweichen oder über ihn hinwegzusteigen, während wir so taten, als würden wir ihn nicht sehen. Die überregionalen Zeitungen brachten tagelang Geschichten. Die Leiche war nicht gefunden worden, aber die Gerüchteküche brodelte, Mrs. Maclean wurde immer wieder befragt, aber niemand befragte Eve. Niemand schien überhaupt auf die Idee zu kommen, dass es dort irgendetwas zu fragen gäbe.
Wir beide kündigten unsere Sommerjobs, noch bevor wir angefangen hatten, und ich fragte mich, ob das kein großer Fehler war. Eve ging kaum mehr aus dem Haus. Wann immer ich nach Hause kam, lag sie mit einer Alkoholfahne auf dem Bett, und wenn sie sprach, lallte sie. »Was ist los mit dir?«, fragte ich immer wieder zornig, sosehr ich mich auch bemühte, den Zorn hinunterzuschlucken. Im Grunde war es ihre Schuld. Sie hatte die Person, die ich war, für immer verändert, die Art, wie Justin und ich einmal auf unser Leben zurückblicken würden, weil sich die Leiche in jede Erinnerung an unser erstes gemeinsames Jahr einschliche. Was würde ich unseren Kindern über den Abend erzählen, als Justin mir sagte, er wolle mich heiraten? Der Himmel war gewittrig und romantisch, er küsste mich und sagte mir, er
wolle auf ewig mit mir zusammen sein. Und dann gingen wir heim und begingen unfreiwillig Totschlag.
»Du weißt, es ist nicht deine Schuld«, erklärte ich Eve immer wieder, und jedes Mal zuckte ein Schmerz über ihr Gesicht, weil sie wusste, dass das eine Lüge war. Ein so großer Schmerz, der mich allmählich zwang zu begreifen, dass weit mehr dahinterstecken musste, als sie uns sagte. Mir war klar, dass sie Ryan Maclean auf Jill Stantons Party getroffen hatte. Was, wenn sie ihn verführt, ihn selbst mit ins Haus gebracht hatte? Und je mehr ich darüber nachdachte, desto sicherer wurde ich mir, desto abgründiger wurden meine Überlegungen. Die beiden hatten irgendeine Vergewaltigungsfantasie ausgelebt, ihre Tränen kamen vom Lachen und dann von der Leidenschaft, weniger vom Schmerz, und als sie uns kommen hörte, legte sie sich noch mehr ins Zeug, weil sie wollte, dass Justin sie hilflos, aber aufreizend sah, weil sie wollte, dass er mitkriegte, wie gut ihre Titten in dem schwarzen Spitzen-BH aussahen. Warum wohl hätte sie ihre schärfste Reizwäsche angezogen, wenn sie nicht gewusst hätte, dass jemand sie darin sehen würde?
»Du musst aufhören, darüber nachzudenken«, sagte ich zu ihr, obwohl diese Gedanken in mir Wurzeln schlugen und zu wachsen und zu blühen begannen. Die Schuldgefühle drangen ihr aus allen Poren, und das bei Eve, der es bis dahin immer gelungen war, alles zu rechtfertigen, was sie tat. Ihre Lider waren geschwollen, ihr Haar wirr und ihre Haut gerötet wegen der stickigen Hitze im Raum. Ich setzte mich zu ihr, und sie griff nach meiner Hand. Aber sie wich meinem Blick jedes Mal aus.
Und dann, nach einem Monat des Ausweichens, kam der Tag, als uns alles wie eine Ohrfeige ins Gesicht schlug.
Eve und ich waren zum Eckladen hinuntergegangen, um Lebensmittel
einzukaufen. Ich hatte bis dahin immer allein eingekauft, denn Eve schien vergessen zu haben, dass man Lebensmittel brauchte, Wäsche waschen und so simple Dinge tun musste, wie sich zu duschen oder anzuziehen. Nachdem es wochenlang so gegangen war, entschloss ich mich, ihre Ausreden nicht mehr gelten zu lassen. Sie musste das Haus verlassen und sehen, dass es noch eine Außenwelt gab. Also machte ich eine Liste mit Dingen, die wir alle nicht brauchten, und ging mit ihr zum Lebensmittelladen.
Wir schlenderten durch die engen Gänge, ich füllte unseren Korb und behielt sie im Auge, um sicherzugehen, dass sie normal genug wirkte, um kein Aufsehen zu erregen. Es funktionierte. Eves Schultern begannen sich zu lockern, sie bekam langsam wieder Farbe im Gesicht. Sie warf mit einem Ruck das Haar zurück, worauf Männer sie anstarrten, obwohl ihr Haar ungewaschen und strähnig war und ihre Augen verschwollen und mit dunklen Ringen darum.
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