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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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sich anfühlt, mit einer Lüge zu leben. Und die Sache ist die, Eve, ich hab diese ganze Nacht schon so viele Male in meinem Kopf abspulen lassen. Und ich denke, es war vielleicht gar kein Fehler, sondern einfach Schicksal. Wir haben nichts Unrechtes getan, nicht wirklich, nichts moralisch Verwerfliches. Und die Wahrheit ist, wenn ich noch mal vor der Wahl stünde, wüsste ich nicht, was ich anders machen würde.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich.
    Eve stieß einen kleinen Schrei aus und drückte sich wieder in die Ecke. Ihre Wangen wurden flammend rot, während Justin erbleichte, als hätte sie das Blut aus seinem Gesicht gesaugt. Er sah zu Eve hinüber, dann zurück zu mir.
    »Ich glaube nicht, dass ich es anders machen würde«, sagte
ich mit Blick auf Eve. »Er war kein guter Mensch, Eve. Vielleicht hat er es nicht verdient zu sterben, aber tatsächlich ist die Welt besser ohne ihn.«
    Justins Schultern lockerten sich, und ich streckte ihm die Hand entgegen. Er starrte sie an und nahm sie schließlich. »Du kannst es doch nicht im Ernst jemandem erzählen wollen«, sagte ich. »Nicht jetzt. Jetzt ist es zu spät.«
    Justin schwieg einen Moment, dann nickte er. »Du hast recht. Natürlich können wir das nicht.«
    Ich sah zu Eve hinüber. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und die Schuld umgab ihren ganzen Körper wie ein Geruch. Sie nickte heftig.
    »Und ihr vergesst nicht, was ich euch gesagt habe«, fügte Justin hinzu. »Es wird nicht immer so sein.«
    Ich streckte die Hand zu Eve aus, aber sie zuckte zurück. Also glitt ich auf Justins Schoß und ließ mich von ihm in die Arme nehmen.
    »Wir schaffen das schon«, sagte er. Er schloss die Arme so fest um mich, dass sich meine Ellbogen in meine Rippen bohrten. »Was auch immer geschieht, was immer wir tun, Eve, wir stehen das gemeinsam durch.«

30
    Justin hatte in diesem ersten Sommermonat fast seine ganze Freizeit in seinem Büro verbracht und fieberhaft geschrieben. Vielleicht war es eine Flucht, oder er hielt so seine Gedanken innerhalb des sicheren Gerüsts gefangen, das Papier und Feder ihm boten. Inzwischen kam er jede Nacht erst spät nach Hause. Ich hielt nach seinem Wagen Ausschau und ging dann in sein Zimmer, um ihn in meine Arme zu schließen. Wir küssten uns so inbrünstig, so leidenschaftlich, dass mir schwindlig wurde. Aber jedes Mal, wenn ich weitergehen wollte, wich er zurück und fand eine Ausrede: Ich bin so müde; kann einfach nicht aufhören, daran zu denken; kann es nicht wegschieben. Aber du weißt doch, dass ich dich liebe, oder? Du weißt, wie sehr ich dich liebe? Und ich nickte dann, zog mich zurück, ließ ihn wieder in sein Schreiben, in seine Welt flüchten. Bei ihm zu sein war alles, was ich in diesen trüben Tagen brauchte. Die lange, unbeschriebene Seite eines Inselsommers und einen Mann, der mich davon abhalten konnte, in die Vergangenheit zurückzublicken.
    Und dann kam er eines Abends mit einem flachen Karton aus der Werkstatt zurück. »Das ist es«, sagte er.
    Ich zog die Augenbrauen hoch. »Das ist …«
    »Meine Geschichte. Ich hab sie gekürzt, wo Kürzungen notwendig waren, hinzugefügt, was nötig war, und das Ganze in einen logischen Ablauf gebracht. Ich wollte, dass du die Erste bist, die sie liest. Es ist genauso deine Geschichte wie meine.«

    Ich nahm den Karton, lächelte strahlend und schloss Justin in die Arme. Morwyn und Gaelin und unsere Zukunft waren in diesem Manuskript zusammengebündelt und warteten darauf, wirklich zu werden. Wir konnten unser Leben in »Vor der Geschichte« und »Nach der Geschichte« aufteilen wie vor und nach einer Hochzeit oder einer Geburt, wenn das Vorher eigentlich keine Rolle mehr spielte. Was geschehen war, war furchtbar, grauenvoll, aber es war vorbei, und es war Zeit, unser Leben wieder aufzunehmen.
    »Ich lese es jetzt«, sagte ich.
    Ich nahm den Karton mit ins Schlafzimmer hinauf. Eve lag auf dem Bett mit nichts als einem fleckigen T-Shirt an. Ich zeigte ihr den Karton. »Justins Geschichte. Er hat sie mir gegeben. Ich dachte, wir könnten sie zusammen lesen.«
    »Justins Geschichte.« Sie starrte auf ihre nackten Knie. »Vielleicht nicht heute Abend, Ker. Ich fühle mich nicht so gut.«
    »Aber das wird helfen, das weiß ich.«
    »Na schön.«
    Ich setzte mich neben sie und sagte: »Was hast du im Lebensmittelladen eigentlich gemeint, als du gesagt hast, da sei noch was, was ich nicht weiß?«
    Sie starrte ins Leere. »Ich sehe ihn immer noch. Siehst du ihn auch immer

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