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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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Arm die Tränen ab.

    Ich schloss die Augen, damit ich Daddy spüren konnte, seinen stämmigen Körper, sein kehliges Lachen, seine schwieligen, wie Sandpapier rauen Finger. Ich strich mit den Handflächen über das frisch gewachsene Gras. »Uns geht’s gut«, flüsterte ich. »Wir kommen zurecht.« Bald würde es hübsch aussehen hier, nicht mehr so kahl. Ich sollte einen Blumenkranz um den Grabstein pflanzen, seine geliebten Hortensien, LoraLees purpurnen Phlox. Früher war es mir immer ein bisschen unheimlich, hier bei den Toten zu sitzen, aber jetzt war es fast gemütlich, wie in einer großen Familie. Ich stellte mir die Leute um uns vor: Terrance »Tippy« Fielding und Samuel C. Crawley waren Daddys Saufkumpane und hatten eine tolle Zeit unter der Erde.
    Ryan Maclean würde nie einen Grabstein haben. Der Gedanke durchfuhr mich wie eisiges Wasser. Wenn er nicht gefunden wurde, würde niemand mit Sicherheit sagen können, dass er wirklich tot war. Sein Sarg wären die peitschenden Wellen, sein Grabstein die mit Algen überzogenen Felsen, die die Nordküste umsäumten. Aber vielleicht war selbst das mehr, als er verdiente.
    In der Zeitung stand, dass er beschuldigt wurde, ein achtzehnjähriges Model vergewaltigt zu haben. Der Kongress hatte vor einem Monat eine Untersuchung angestrengt, etwa um die Zeit, als der Abgeordnete mit Eve zu schlafen begann. Er hatte alles abgestritten, und Mrs. Maclean hatte zu ihm gehalten. Da es abgesehen von der Aussage des Mädchens keinen Beweis gab, hatte es ausgesehen, als würde die Anschuldigung gegen ihn fallen gelassen werden. Doch durch sein Verschwinden war der Fall publik geworden.
    »Uns geht es großartig«, sagte ich. Wieder kamen mir die Tränen, und ich kniff die Augen zu, um sie zurückzudrängen. »Alles ist …« Meine Stimme brach, und ich holte tief Luft. »In Ordnung,
alles ist in Ordnung. Aber wenn er dort oben bei dir ist, Daddy, dann sag ihm, dass es uns leidtut. Wir würden seiner Familie ja sagen, wo er ist, wir würden es sagen, wenn es helfen würde und wenn wir es könnten, aber im Moment fällt uns nichts anderes ein.«
    Die warme Brise fuhr in mein Haar wie fauliger Atem. Ich sah eine Weile auf den Grabstein und hoffte tatsächlich, er würde mir irgendein Zeichen geben, vielleicht ein Gänseblümchen sprießen oder Worte in der Erde erscheinen lassen. Als nichts davon passierte, wischte ich mir die Augen ab und stand auf. »Es tut mir leid«, flüsterte ich und schüttelte den Kopf. »Wenn es irgendwas gäbe, um es rückgängig zu machen, würden wir es tun, aber das gibt es einfach nicht. Es ist zu spät.«
    Ich legte die Hand auf die kalte, feuchte Schrift mit Daddys Namen. »Ich liebe dich«, flüsterte ich. Dann wandte ich mich ab und ging heim.
    Sobald ich die Haustür öffnete, hörte ich Eves zornige Stimme, die sich fast zu überschlagen drohte. »Natürlich sollte ich dabei was mitzureden haben! Es betrifft mich genauso wie dich. Glaubst du wirklich, es würde was ändern, wenn man es in die ganze Welt hinausposaunt?«
    Ohne die Tür hinter mir zu schließen, eilte ich die Treppe ins Schlafzimmer hinauf. Sie waren auf dem Bett, Eve an die Wand gedrückt, Justin starrte auf den Quilt und sah verloren aus. Ich stand in der Tür, sah sie an und hatte Angst einzutreten.
    »Es ändert nichts an dem, was wir getan haben«, sagte er, »aber vielleicht hilft es uns, damit zurechtzukommen.«
    »Zurechtkommen? Du willst also zurechtkommen damit? Fühlst du dich wenigstens ein kleines bisschen verantwortlich?«
    »Natürlich tue ich das. Wir sind beide verantwortlich.«

    Ich starrte ihn an. Wie grausam er klang, das war gar nicht seine Art.
    »Gibst du mir die Schuld dafür?«
    »Ich gebe überhaupt keinem Schuld! Ich hab mich noch nie so schrecklich gefühlt wegen irgendwas, Eve, aber mir ist klar, dass man nichts mehr daran ändern kann. Was passiert ist, ist passiert und lässt sich nicht wiedergutmachen.«
    »Was zum Teufel soll das heißen? Wie kann das so verdammt einfach für dich sein?«
    Justin starrte mit hochgezogenen Schultern auf seine Knie. »Glaubst du, das ist einfach? Es ist auch ganz egal, wie schwer es für mich gewesen ist. Was es so völlig unerträglich für mich macht, ist die Gewissheit, wie sehr es Kerry verletzen wird.«
    »Sie würde uns nie vergeben, wenn wir es erzählten. Mein Gott, Justin!«
    Ich schüttelte langsam den Kopf. Er wollte gestehen? Das durfte er nicht. Nein, das durfte er nicht!
    »Ich hasse einfach, wie es

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