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Auf ewig und einen Tag - Roman

Titel: Auf ewig und einen Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Joy Arnold Angelika Felenda
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Stein, Name, Datum, geliebter Vater. Ich legte die Wange an den geschliffenen Rand und spürte eine überwältigende Leere. Ich hatte ihn verloren, Justin verloren - wie konnte ich leben, wenn ich auch sie noch verlieren würde? Und fast hätte ich mich abgewandt, wäre zurückgerannt und hätte alles vergessen.
    Fast.
    Aber am Ende gab es eigentlich keine andere Wahl. Die Entscheidung hatte nicht ich getroffen. Sondern die Verzweiflung. Liebe und Hass mahlten in meinen Eingeweiden gegeneinander und zogen ihre eigenen Schlüsse.
    Und in dieser Nacht kochte ich. Ein gusseiserner Topf auf dem Elektroherd, ein blubberndes, so widerlich stinkendes Gericht, dass es mich in der Nase biss. Ich kochte nur, eine Mahlzeit, die gegessen oder nicht gegessen wurde, von mir, von ihr, von ihm. Das spielte jetzt keine Rolle. Alles, was zählte, war das Kochen und die Möglichkeit, dass alles ein Ende fand.
     
    Ich starrte auf die Männer in ihren dunklen Anzügen, die lederne Aktentaschen an die Brust drückten. Niemand trug je einen Anzug auf der Insel, weder zur Arbeit noch zum Besuch der elegantesten Restaurants. Und selbst vom Grund des dunklen Brunnens aus, wo ich jetzt lebte, konnte ich erkennen, dass etwas vor sich ging.

    Sie kamen vom Rathaus, drei von ihnen redeten im Flüsterton miteinander, und dann noch einmal zwei, die mit First Warden McCoy auftauchten, in graue Limousinen stiegen und die Straße herauffuhren. Ich blieb einen Moment stehen und starrte auf die Nummernschilder. Washington, DC. Ich musste nach Hause.
    Vor der Buchhandlung stand eine Schlange. Um diese Tageszeit standen hier immer Leute vom Festland an und warteten auf Zeitungen, die mit der Zehn-Uhr-Fähre geliefert wurden. Sie waren auf die Insel gekommen, um etwas anderes zu sehen, fühlten sich aber trotzdem bemüßigt, sich den Boston Globe oder die New York Times mit Nachrichten aus den Städten zu beschaffen, die sie verlassen hatten. Heute jedoch reichte die Schlange um den ganzen Block herum, und es waren mehr Inselbewohner als Leute vom Festland. Selbst die alte Mrs. Scott stand da, die sonst nie ihre Vorderveranda verließ, sich von Nachbarjungen die Lebensmittel bringen ließ und Zeitungen für eine Störung ihres Seelenfriedens hielt. Aber da war sie, auf ihren Stock gestützt, unterhielt sich mit Mary Bates, und ihre Augen hinter den tief hängenden Lidern glänzten vor Begeisterung über den Skandal.
    Ich lief schnell den Hügel hinauf, die Beine schwer vor Angst, überquerte die Straße vor unserem Haus und blieb wie angewurzelt stehen. Officer Carreras Jeep. In unserer Einfahrt geparkt. Plötzlich spürte ich, wie sich um mein Zwerchfell herum etwas löste, wie eine Erleichterung.
    Ich öffnete die Haustür, mein Blick wanderte von Eve zu Brad Carrera und wieder zurück, und plötzlich überkam mich das Bedürfnis, mich völlig zerfließen zu lassen vor ihnen, alles zu gestehen. Was glaubt ihr beiden denn, wen ihr vor euch habt? Ich bin noch viel schlimmer.

    Eve sah mich mit großen Augen argwöhnisch an, dann faltete sie die Hände unterm Kinn, als würde sie um etwas bitten. »Sie haben eine Leiche gefunden«, sagte sie. »Die ganze Zeit dachten sie, Ryan Maclean sei abgehauen, aber in Wirklichkeit ist er tot.«
    Eine Leiche. Ich sah ihn vor mir, wie er ausgesehen hatte, den Mund voller Wasser, mit fuchtelnden Armen, die sich nach uns ausstreckten. Ich fuhr mit der Zunge über die Innenseite meiner Zähne, immer im gleichen Rhythmus, eins- zwei-drei-vier, eins- zwei-drei-vier.
    »Also, warum bist du hier, Brad?«, fragte Eve. »Warum erzählst du mir das alles?«
    Brad Carrera nahm seinen breitrandigen Hut ab und hielt ihn vor die Brust. »Es handelt sich um keinen offiziellen Besuch, ganz und gar nicht, aber da es jetzt eine Leiche gibt, sollte ich wohl ein paar Fragen stellen, nur um meines eigenen Seelenfriedens willen.«
    Ich hatte das Gefühl, meine Augen seien mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Ich zwang mich wegzusehen, zu lächeln, in Richtung der Treppe zu gehen, als hätte die Unterhaltung nichts mit mir zu tun. Und dann sah ich es.
    Auf dem groben Läufer vor der Treppe waren drei rötlich braune Flecken in den Fasern verschmiert. Und auf den Stufen eine dünne Tropfenspur. Wie hatten wir das übersehen können? Ich blickte zu Brad und wieder auf den Boden zurück. Mit angehaltenem Atem machte ich ein paar Schritte, stellte mich auf die Flecken und verwehrte ihm so den Blick auf die Treppe.
    »Seelenfrieden«, sagte

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