Auf ewig und einen Tag - Roman
dann nickte sie entschieden. »Also gut.« Sie blickte zu mir auf. »Also gut, ich erzähl’s dir. Ich weiß nicht, ob er mich liebte. Aber er glaubte das. Oder zumindest behauptete er, er glaube es.« Sie zog die Decke zum Kinn und schloss die Augen. Ich konnte ihren Atem riechen, der zugleich fruchtig und schal war. »In der Nacht, als wir die Briefe schrieben, hab ich versucht, dir etwas zu beweisen. Ich war mir ziemlich sicher, dass er zu mir kommen würde, und danach hättest du eingesehen, dass Justin mehr Schuld an der Sache trug als ich.«
»Ich konnte nicht glauben, dass du mir das antun würdest«, sagte ich mit belegter Stimme. »Verstehst du, wie das für mich war? Nach allem, was passiert war, als ich euch beide brauchte und keiner von euch da war.«
»Ich weiß.« Sie zupfte an dem Plastilin, das sie inzwischen benutzte, um ihren Ehering an ihrem knochigen Finger zu halten, dann sah sie mit Tränen in den Augen zu mir auf. »Genau daran hab ich all die Zeit gedacht, wie es für dich gewesen sein muss. Und in der Nacht, als Ryan starb, ging ich nicht zu Justin, um mit ihm zu schlafen, das schwöre ich. Ich bekam Ryans Gesicht nicht aus dem Kopf, wie er auf Jill Stantons Party ausgesehen hatte, sein erwartungsvolles Jungengesicht, und musste mir was einfallen lassen, um das loszuwerden.«
»Du hast mit Justin geschlafen, damit du nicht mehr an Mr. Macleans Gesicht denken musstest? Warum hast du’s nicht einfach mit Alkohol oder so was probiert?«
»Er hat mich zuerst geküsst, das schwöre ich dir. Was ich dir damals gesagt habe, war die Wahrheit. Ich ging in sein Zimmer, weil ich jemand Vertrauenswürdigen brauchte, um mich festzuhalten, und er drückte mich aufs Bett, und ich war diejenige, die sich entzog. Also rannte er in sein Büro, ich blieb auf seinem Bett liegen, und all die Bilder stürzten auf mich ein.« Sie kniff die Augen zu. »Ryans Gesicht, seine Stimme, ich musste aufhören, daran zu denken. Mist, Kerry, gerade war meinetwegen ein Mann gestorben!«
»Deinetwegen?« Und plötzlich begriff ich, was sie sagte. »Du hast Maclean auf Jills Party gesehen?«
Sie erstarrte. »Nein.«
»Sag’s mir.« Ich nahm sie am Kinn und zwang sie, mich anzusehen. »Sag’s mir!«
Ihre Augen wurden rot. »Kerry …«
»Was hast du getan?« Und plötzlich konnte ich alles vor mir sehen, wie Eve in ihrem grünen Seidenkleid mit aufreizendem Gang auf ihn zuschlendert, ihren verhangenen Blick und das schmale, verführerische Lächeln, als sie ihm ins Ohr flüstert. Dann daran knabbert. »Du hast ihn angemacht.«
»Nein, das stimmt nicht. Nein! Ich meine, nicht richtig. Ich war einfach so sauer über alles, als ich mich erinnerte, wie Mrs. Maclean an dem Nachmittag der Abschlussfeier an ihm klebte, ihr Gesicht, wie sie zu ihm aufblickte. Er war es so sehr gewöhnt, bewundert zu werden, und ich denke, ich wollte ihn wissen lassen, dass ich ihn nie so bewundert, dass ich ihn die ganze Zeit sogar noch mehr benutzt hatte als er mich. Also hab ich ihn auf der Party erpresst.«
»Du hast was?«
»In meinem Kopf geriet einfach alles durcheinander, als ich die Schüler sah, die gerade Abschluss machten, und wusste, dass seine Söhne eines Tages an die Brown oder nach Harvard gingen, während wir es nicht weiterbringen würden, als sechs Dollar die Stunde zu verdienen, indem wir gebratenen Fisch servierten. Also sagte ich ihm, ich wollte zwanzigtausend Dollar. Ich drohte ihm, die Presse zu informieren.« Sie lachte grell auf und fügte hinzu: »Zum Beweis wollte ich den Zeitungen von dem Muttermal auf seinem Hintern erzählen. Er hatte ein Muttermal in der Form von North Carolina.«
Es war unglaublich, einfach unfassbar. Eve war damals siebzehn, ein junges Mädchen mit einer Kraft, die an der Oberfläche kaum erkennbar war, und sie hatte den Mut, einen der mächtigsten Männer im Staat zu kompromittieren. »Warum hast du mir nie davon erzählt?«
»Von dem Muttermal? Ich fand das ziemlich privat. Ein Muttermal auf dem Arsch ist nicht sonderlich attraktiv.«
»Das ist nicht witzig«, sagte ich.
»Du hättest es nicht verstanden, Kerry. Du hättest mir die Schuld an allem gegeben, und das hätte ich nicht ertragen.«
Das stimmte natürlich. Selbst ohne zu wissen, was sie wirklich getan hatte, hatte ich ihr die Schuld gegeben. Ich hob das Kinn. »Also. Wie hat er reagiert?«
»Ich erinnere mich noch ganz genau. An jedes einzelne Wort. Es ist, als wäre mir diese Nacht ins Gedächtnis eingebrannt. Ich
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