Auf ewig und einen Tag - Roman
Daddy starb, weil er dumm war, weil er traurig war, und es gab nichts, was wir dagegen hätten tun können. Keiner von beiden hat uns gern verlassen, und mit den Dingen, die du mir angetan
hast und die ich dir angetan habe, wollten wir uns nie verletzen, nicht wirklich.«
Tränen brannten in meinen Augen. Ich blinzelte schnell und nickte.
»Weißt du, ich hab Justin neulich gebeten, mir sterben zu helfen.«
Ich zog ihre Hand an meine Brust und rieb mit dem Finger über einen ihrer Nägel. »Ich weiß«, antwortete ich. »Er hat’s mir gesagt.«
»Und jetzt werde ich dich darum bitten.«
Meine Hand verkrampfte sich. »Eve …«
»Ich hab das Gefühl, als wäre ich jetzt innerlich so weit, als wäre ich bereit zu gehen. Und ich möchte dir alles geben, was notwendig ist, damit du zu dem gleichen Entschluss kommst und mir helfen kannst. Es hätte nichts zu tun mit …«
»Hör auf!« Ich stieß ihre Hand weg.
»Ist schon gut. Lass dir Zeit und denk darüber nach, wie es aus Liebe wäre, ohne Zorn.«
Ich starrte aufs Fenster. Seit ich hier angekommen war, hatte ich Eve kein einziges Mal gesagt, dass ich sie liebte, als hätte ich vergessen, wie man diese Worte ausspricht.
»Und ich brauche noch etwas von dir.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Hör zu, ich brauche dich, damit du für Gillian da bist. Bleib hier.«
Zuerst verstand ich sie nicht, aber dann wurde mir schlagartig klar, was sie meinte. »Ich kann nicht«, sagte ich.
»Doch, du kannst.« Sie hob den Kopf und ließ ihn dann wieder aufs Kissen zurücksinken. »Und du wirst, weil sie dich braucht, sie braucht genauso eine Mutter, wie wir eine gebraucht haben,
vielleicht sogar noch mehr, weil sie nie ohne eine war. Ich könnte es mir nie verzeihen, sie einfach so zurückzulassen, wie wir zurückgelassen wurden.«
»Hier ist es doch ganz anders, Eve.«
»Wirklich? Nicht in der Vorstellung eines zwölfjährigen Mädchens.« Sie setzte ein seltsames, mattes Lächeln auf. »Und hör mir zu, Kerry, ich brauche dich auch wegen Justin hier.«
»Nein«, erwiderte ich schnell. Das Wort hörte sich wie ein hastiges Schlucken an.
»Die Sache ist doch die, Justin hat zuerst dir gehört. Und, verdammt, ich bin ja nicht blind, Kerry, ich weiß doch, was um mich herum vorgeht.« Sie gab einen seltsam krächzenden Laut von sich, irgendwas zwischen Lachen und Würgen. »Jetzt gehört er wieder dir.«
Als ich mir sicher war, dass ich ohne Beben in der Stimme wieder sprechen konnte, sah ich sie an. »Sag mir die Wahrheit, Eve. Hat er zuerst mir gehört? Hat er je wirklich mir gehört?«
Sie wandte sich von mir ab, dann legte sie den Handrücken auf den Mund und flüsterte: »Ich weiß nicht.«
Ich starrte sie an.
»Ich meine, ja, natürlich liebte er dich. Damals, als seine Geschichten das Wichtigste für ihn waren, hat euch das auf eine Weise verbunden, wie es bei uns nie der Fall gewesen ist. Was bei ihm vermutlich das Gefühl ausgelöst hat, du würdest seine Seele mit ihm teilen. Andererseits fühlte er sich auch zu mir hingezogen, und zwar wegen all der undefinierbaren Dinge, die eine Person zu einer anderen hinziehen. Er hat dich immer geliebt, vielleicht war er mit dir sogar glücklicher, aber für mich empfand er Leidenschaft.«
Bei dem Wort Leidenschaft spürte ich plötzlich brennenden
Zorn in mir aufsteigen, eine größere Wut, als ich sie je seit meiner Rückkehr gespürt hatte, vielleicht eine noch größere als in den ganzen vergangenen dreizehn Jahren. Ich grub die Fingerknöchel in die Matratze und sagte: »Und davon hast du gezehrt, nicht wahr? Du hättest jeden Mann haben können, den du wolltest, aber du musstest dir beweisen, dass du den Mann verführen konntest, der für dich eigentlich tabu hätte sein sollen.«
Eve drehte sich zu mir um und wirkte ein wenig verblüfft. »Ich habe ihn nicht verführt! Gut, sicher, vielleicht hab ich ihn ein bisschen gereizt, aber ich hab mit jedem geflirtet, wie du weißt. Auch wenn ich sonst in meinem Leben nichts kontrollieren konnte - bei Männern ist mir das gelungen. Bei Justin allerdings nicht. Selbst wenn ich bis zu einem gewissen Grad eifersüchtig war, hätte ich ihn dir nie absichtlich weggenommen. Er wusste auch, dass ich gern flirtete, Kerry. Ich war ja schließlich nicht unwiderstehlich. Nicht wenn er wirklich versucht hätte, mir zu widerstehen.«
»Was ist dann in dieser letzten Nacht passiert?«, fragte ich heiser. »In der Nacht, als ich wegging?«
Sie lag da, ihr Körper wirkte schlaff,
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