Auf ewig und einen Tag - Roman
ein Grund, weshalb ich gekommen bin.«
Sie lächelte. »Vermiss mich nicht zu sehr, Kerry, ja?«
Ich nahm Eves Hand, drückte sie an meine Wange und hielt sie mit geschlossenen Augen dort fest. Ihre Hand war kalt und feucht, und eine Weile versuchte ich, mein Leben in sie hineinzupressen. Schweigend sahen wir uns an, bis sie trotz meines Widerstands die Augen schloss und die Hand wegzog.
Ihr Körper lag ruhig da, ihre Haut faltenlos und schimmernd, ihre Brust so kleinmädchenhaft flach wie damals in unserer Kinderzeit. Manchmal, in jenen Nächten, nachdem Daddy gegangen war, kicherten wir und lüpften die Pyjama-Oberteile. Ich drückte meine flache Brust an die ihre, und wir bemühten uns, den Schlag unserer Herzen in Einklang zu bringen, pa-dum, pa-dum. Ist das dein Schlag oder meiner? Das Angleichen meines Schlags an den ihren und ihres an den meinen, war einer unserer besten, unserer geheimsten Tricks, wenn sich die Schläge verlangsamten und als einer weiterpulsierten.
Jetzt zog ich meine Bluse nach oben und drückte meine Brust an die ihre. Ich spürte mein Herz, pa-dum, pa-dum. Ich
lauschte auf ihren Schlag und presste mich an sie, um meinen anzugleichen. Ist das deiner oder meiner? Der Schlag hielt unnachgiebig an und klopfte weiter, so lange es ging. Nicht länger. Unser Rhythmus, mein Tanz zu diesem Rhythmus, der anders war - und doch der gleiche.
EPILOG
Es war ein makelloser, klarer Tag, als wir Lebewohl sagten. In der Ferne konnte ich die Umrisse des Festlands sehen. Wir brachten die Urne nach Norden hinauf, zu der langen Sandbank an der Spitze der Insel. Der Block Island Sund traf dort auf den Atlantik, und die beiden stritten sich oft um das Territorium. Aber letztlich war es derselbe Ozean. Und keiner von ihnen gewann.
Es war merkwürdig ruhig, nur ein leichter Luftzug wehte über die Sandbank, als ich ins Meer watete. Ich griff in die Urne und legte die geschlossene Faust an den Mund. Ich küsste sie, öffnete dann die Finger, ließ den Wind die Asche gegen mich wehen und atmete sie ein. Ich ließ sie ins Wasser treiben, beobachtete, wie die Wellen sich aufbäumten, brachen und sie verschlangen, bis sie schließlich fort war.
Es war zwei Wochen später, als ich den Anruf bekam. »Nur ein paar Fragen«, sagten sie, also beantwortete ich ihre Fragen. Dabei stellte ich mir die ganze Zeit Eve vor, ihr Lachen über die Ernsthaftigkeit auf dem Gesicht des Inspektors. Bring’s einfach hinter dich, würde sie sagen, und deshalb legte ich die gleiche Verächtlichkeit an den Tag. Es tat nicht weh zu lügen, weil ich die Wahrheit kannte. Eve starb an Krebs, und sie wollte sterben, das war alles. Und am Ende begnügten sie sich damit. Ohne ausreichende Beweise mussten sie das auch. Natürlich dachte ich erst später daran, mir die Frage zu stellen, die auf der Hand
lag: Warum ließen sie das Blut einer Frau noch untersuchen, die schon Monate zuvor auf der Schwelle zum Tod gestanden hatte?
Ich glaube, er hatte gehofft, wenn er mich in die Sache verwickelte, könnte er sich selbst von seiner Verantwortung freisprechen. Der Verantwortung, mit mir geschlafen zu haben, Eves Leiden beenden zu müssen, mir dankbar zu sein, weil ich es für ihn getan hatte. Er fühlte sich schuldig wegen all dieser Dinge, brachte es aber nicht über sich, auch nur eines davon näher anzusehen. Wie damals vor Jahren, als er sich überzeugte, dass Eve ihn tatsächlich ausgetrickst hatte. Wie damals, als er dachte, er könnte sich befreien, wenn er sich den Betrug eingestand, musste Justin immer der Held in all seinen Geschichten sein.
Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich glaube nicht an Helden oder Schurken, nur an Fehler. Ich weiß, wie verführerisch es ist, zu fliehen, sich hinter Fehlern zu verstecken, in der Hoffnung, sie würden dann verschwinden. Er wird bald erkennen, dass sie nicht verschwinden. Sie sind gnadenlos und drängen sich einem auf, bis man sich ihnen stellt und erkennt, dass sie eigentlich doch gar nicht so hässlich sind.
Das sagte ich meiner Mutter, als ich nach der Beerdigung anrief, dass ich wisse, was sie empfand, als Daddy starb. Dass Reue nichts ändert. Dass die Zeit kommt, wenn man sich seinen Entscheidungen stellen muss, dem Leben, das man gewählt hat, um Dinge wiedergutzumachen und sich damit auszusöhnen. Sich selbst zu vergeben ist, wie anderen zu vergeben: Es braucht Distanz, muss wachsen und braucht Zeit. Und das brauchen wir im Moment beide, Distanz und Zeit. Aber ich werde sie wieder
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